Berufung
Gefühl für den Dienst
Alois Kothgasser, später Erzbischof von Salzburg, erzählt von seiner Jugendzeit in der Kirche von St. Stefan im Rosentale.
So sehr das Kirchenjahr mit seinen Festen und Andachten unser Familienleben bisher bestimmt hatte, so sehr wurde mein junges Leben fortan vom aktiven Dienst in der Kirche bestimmt. Denn schon kurz nach meiner Erstkommunion fing ich mit dem Ministrieren an, was mir einerseits großen Spaß machte und mir andererseits ein echtes Gefühl für den Dienst am Altar gab. Dennoch möchte ich an dieser Stelle noch nicht von einer Berufung zum Priesteramt sprechen, denn so aufrichtig mein Empfinden während des Messefeierns auch war, nachher war alles wieder anders und ich mit meinen Gedanken anderwertig beschäftigt. Ich habe damals noch nicht wirklich daran gedacht, einmal Priester und Ordensmann zu werden, sondern Familienvater.
Heute denke ich, und ich bin davon überzeugt, dass ein Mensch, der nicht fähig ist, Familienvater zu sein, auch nicht Priester werden sollte: Denn wenn das priesterliche Leben nicht in echter Beziehung zu den Menschen und in Hingabe an diese gelebt wird, dann entstehen Vereinseitigungen und Ersatzbedürfnisse, und diese oft in übertriebener Weise.
Priester sind in einem gewissen Sinn – und ich kann sagen, ein Bischof noch viel mehr – Väter einer Großfamilie. Sie müssen sich eine gewisse Offenheit bewahren, damit sie für den Dienst am Menschen frei sind ...
Ruf zum Priesterwerden Ein Satz aus dem Evangelium
Bei einer Messfeier saßen wir Ministranten wieder auf den Stufen unter der Kanzel und lauschten den Ausführungen von Pfarrer Josef Wiedner. An diesem Tag hatten die Worte der Predigt eine besonders starke Wirkung auf mich. Vor allem war es ein Vers aus dem Markusevangelium, der mir im Gedächtnis blieb und mich noch lange, ich will behaupten bis heute, beschäftigte: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner eigenen Seele Schaden leidet?“ (Mk 8,36).
Letztlich war es ein junger Kaplan, der mir bei meinem Suchen nach Antworten die Richtung wies: Martin Hrvatič, der 1948 als Pfarrvikar nach St. Stefan kam und unter uns Kindern und Jugendlichen für einige Jahre wirkte.
Wie bei Don Bosco baute auf den drei Säulen Vernunft, Religion und Liebenswürdigkeit die Beziehung zwischen dem Kaplan und uns Jugendlichen auf. Er nahm uns an, wie wir waren, förderte unsere verschiedenartigen Talente, bot uns Abwechslung und lehrte uns eine gesunde, tiefwurzelnde Frömmigkeit.
Eines Tages saß ich allein in seinem Zimmer und blätterte in einer Darstellung des Kreuzweges, Er setzte sich zu mir und fragte: „Was meinst du, könntest du Priester werden?“
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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