Familie - Demenz

Mit allen Sinnen

Gottesdienste für Menschen mit Demenz und alle, die solidarisch mitfeiern wollen.

Der Ehemann singt laut vor sich hin, Mutter lacht in unangebrachten Situationen, Großvater kann nicht ruhig sitzen bleiben oder die Tante fragt ständig, wann es etwas zu essen gibt. Unangenehme Verhaltensweisen wie diese sind sehr oft der Grund, warum sich Angehörige und Betroffene von Demenz nicht trauen, an öffentlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel Gottesdiensten, teilzunehmen.

Für viele Menschen ist die sonntägliche Messe in der Kirche ein fixer und wichtiger Bestandteil ihrer Woche. In einer turbulenten Welt ist der Glaube ein Anker zum Festhalten und etwas, das vor der Angst des Ungewissen schützt. Bedürfnisse und Sorgen wie diese verschwinden mit der Diagnose Demenz nicht, sie zeigen sich vielleicht nur anders.

„Gottesdienste mit allen Sinnen“, bei denen Betroffene und Angehörige eingeladen sind, uneingeschränkt mit der ganzen Kirchengemeinde die heilige Messe zu feiern, werden immer mit leuchtenden Augen und glücklichen Gesichtern belohnt. Für Betroffene, aber auch ihre Angehörigen ist es essenziell, weiterhin in die Gesellschaft miteinbezogen zu werden. Einerseits ist das Besuchen von kulturellen und kirchlichen Einrichtungen eine Ablenkung vom eigenen Schmerz und der Trauer, andererseits bringen sie Licht und Abwechslung in den Alltag. Die Anregung für den Geist darf dabei ebenfalls nicht unterschätzt werden. Darüber hinaus werden schöne alte sowie neue Erinnerungen geweckt und positive Reize verstärkt.

Salz – Steirische Alzheimerhilfe

Salz - Steirische Alzheimerhilfe

Ob in steiermarkweiten Gesprächsrunden von Angehörigen zu Angehörigen, bei Vorträgen oder mit Wissensinputs – das Ziel von Salz ist die Entstigmatisierung von Demenz und die Entlastung von Familien. Die Situation für Betroffene und deren Angehörige soll verbessert werden.

Unsere monatlich stattfindenden Gruppen bieten einen Raum zum Austausch. Es gibt Termine in Graz, Gratwein, Leibnitz, Leoben, Voitsberg, Weiz, Liezen, Hartberg, online, sowie bald in Judenburg. Die Teilnahme ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich.

◉ Infos: steirische-alzheimerhilfe.at bzw. Tel.: 0676 / 45 20 400.Salz Steirische Alzheimerhilfe

Für Sie gelesen

Demenz – Revolution in Kirche und Gesellschaft?
Ausgabe der Zeitschrift „Gesellschaft&Politik“ des Dr. Karl Kummer Instituts,
Christian Lagger/Peter Rosegger (Hg.), Erhältlich unter: steiermark@kummerinstitut.at,
€ 20,–

Demenz betrifft das gesamte Leben eines Menschen und seiner Familie sowie seine Teilhabe an der Gesellschaft. Das Heft umfasst 32 Beiträge aus den verschiedenen Bereichen über Perspektiven und Herausforderungen für Betroffene und Angehörige und Verantwortliche im Handlungsfeld.

Nachgedacht

Ein ganzes Leben
Papa ist Schlosser und heute 84 Jahre alt. Beim Musizieren, ihrer beider Leidenschaft, lernt er meine Mama kennen und lieben. Es folgen Heirat 1962, drei Kinder, Haus im Grünen, gemeinsame Firma, Hund, Urlaube in Kroatien, eine wuselnde Schar Enkelkinder, Freude über den Garten in der Pension, Trauer über den Tod meines Bruders, beider Demenz, Formularwahnsinn, 24-Stunden-Betreuung, beider Umzug ins Heim. Mama ist leider 2023 verstorben.

Zurück bleibt ein leeres Haus voller Erinnerungen, mit dem Schatz des Lebens der Menschen, die darin gelacht und geweint haben. Für manche ist das „altes Zeug“, für mich sind das Spurenelemente des Lebens meiner Eltern. Sie haben in dem Jahr geheiratet, als der erste James-Bond-Film ins Kino kam, die Sowjetunion Atomwaffen auf Kuba stationierte und das II. Vatikanische Konzil eröffnet wurde.

Wie viel ist seither geschehen? Daran muss ich oft denken, wenn ich an die Veränderungen denke, die die Demenz mit sich gebracht hat. Eines jedoch bleibt und muss gesehen werden: Man ist nicht einfach ein „Betroffener“ oder ein „Fall“, sondern ein Mensch mit einem ganzen Leben – vor, in und nach der Demenz.

Peter Rosegger
peter.rosegger@demenz-steiermark.at
Geschäftsführer, Netzwerk Demenz Steiermark