#Serie_Pfiffig_nachgefragt
Wäre Jesus ein Klimakleber, Herr Prof. Zulehner?

Unsere neue Jugend-Serie "Pfiffige Theologie".  | Foto: Kirche Bunt

 

Am 16. August 2022 beteiligte sich der Jesuit Jörg Alt gegen 12 Uhr auf dem Nürnberger Bahnhofsplatz an einer Sitzblockade der Klimaprotestierer „Letzte Generation“ und „Extinction Rebellion“. Deshalb wurde er zu einer Geldstrafe von 550 Euro verurteilt. Diese wollte er nicht bezahlen, sondern erklärte sich bereit, 25 Tage lang ins Gefängnis zu gehen: aus Solidarität mit den anderen gleichfalls bestraften Klimaklebern.
Ich verstehe die Unruhe junger Menschen über den Klimanotstand. Als dieser Tage gemeldet wurde, dass sich das Weltklima um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum Klima vor der Industrialisierung erwärmt hat, wurden junge Menschen befragt. Viele zeigten sich besorgt und voll Angst um jene Welt, in der sie morgen gut leben möchten. Ist ihre Sorge begründet?

Klimalüge

Es gibt wachsende Bevölkerungskreise, die sich wegen der Erderwärmung überhaupt keine Sorge machen. Schwankungen im Erdklima sehen sie als normal an. Hitzezeiten und Eiszeiten hätten sich schon immer abgewechselt. Von einem menschengemachten Klimawandel könne keine Rede sein – viel eher von einer Klimalüge. Sie wollen weiter mit Gas und Öl Energie erzeugen. Ein Umstieg auf Wärmepumpen und
E-Autos ist für sie unnötig. Eine CO2-Steuer halten sie für Abzocke. Auf Flugreisen wollen sie ebenso wenig verzichten wie auf Wohlstand. Wirtschaft und Konsum kommen für sie vor Klimaschutz, Ökonomie vor Ökologie. Parteien, die lautstark dafür auftreten, gewinnen immer mehr Zulauf. Auch unter jungen Menschen.

Unumkehrbare Kipppunkte

Klimaforscher widersprechen solchen Klimaleugnern vehement. Sie können belegen, dass die Menschheit sich sogenannten unumkehrbaren Kipppunkten nähert. Dazu zählen sie das Abschmelzen des Welteises an den Polen und auf den Gletschern, die Erwärmung des Golfstromes oder die Abholzung der Regenwälder in Afrika oder Amazonien. Die Zunahme von Überschwemmungen wie im spanischen Valencia oder Waldbrände wie in Los Angeles scheinen ihnen Recht zu geben. Immer mehr Tierarten sterben aus. Insekten werden weniger, was nicht nur Imker beunruhigt, sondern die Landwirtschaft auf Dauer schädigt. Der weitsichtige Nobelpreisträger Albert Einstein soll gesagt haben: „Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.“

Jesus als Klimakleber

Wäre Jesus, wie sein Ordensvetter der Jesuit Jörg Alt, heute ein Klimakleber? Jesus liebte die Schönheit der Natur, die Vögel des Himmels, die Lilien des Feldes. Schafe und Hirten sind Hauptdarsteller in Gleichnissen. Er kannte sicher den Text aus dem Buch der Offenbarung des Johannes, das jenen das Verderben androht, welche die Erde verderben (Offb 11,18). Er wusste, dass sich die Bibel für einen hegenden und pflegenden Umgang mit der Schöpfung ausspricht, welche Gott den Menschen anvertraut hat.
Aber hätte er seiner Predigt wie moderne Klimaschützer mit Protestaktionen Nachdruck verliehen? Mag sein. Aber vielleicht hätte er den Klimabesorgten darüber hinaus dringend geraten: „Gott hat euch Verstand und Weitsicht gegeben. Studiert Wirtschaftswissenschaften und Ökologie. Macht euch in die Politik auf. Versucht dorthin zu gelangen, wo die Entscheidungen getroffen werden: in Gemeinderäte, Landtage, in nationale und europäische Parlamente, in die Einrichtungen der Vereinten Nationen. Es ist gut, wenn ihr mit wirksamen Aktionen protestiert. Aber es ist noch wirksamer, wenn ihr euch politisch engagiert.“ Dauert zu lange, sagten mir ungeduldige Jugendliche unlängst bei einer Podiumsdiskussion. Das ist der anspruchsvollere, aber vielleicht auf lange Sicht einzig wirksame Weg, erwiderte ich.

Paul Michael Zulehner ist Pastoraltheologe, katholischer Priester, Religionssoziologe und emiritierter Universitätsprofessor.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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