Rapunzel, Bergleute und ein Rabenvater
Der heiligen Barbara gedenken wir vor allem, indem wir am 4. Dezember Kirschzweige in eine Vase stellen und auf ihre Blüte zu Weihnachten warten: Sinnbild für ihr Leben, ihre Patronate und den Advent.
Dass die Pädagogik im dritten Jahrhundert so manche Erkenntnis heutiger Erziehungswissenschaften vermissen lässt und Eltern alles in allem etwas weniger einfühlsam zu ihren Kindern gewesen sind, als das heute der Fall ist, ist wohl keine Überraschung. Dass ein Vater seine eigene Tochter umbringt, ist aber sicherlich auch in der Antike nicht der Standard gewesen.
So erging es allerdings der heiligen Barbara, die sich als junge Frau zum Christentum bekehrte und deswegen von ihrem Vater zuerst drei Jahre lang eingekerkert und schließlich enthauptet wurde. Auch davor glänzte ihr Vater Dioskurus nicht mit erzieherischem Fingerspitzengefühl. Weil Barbara eine besonders schöne Frau gewesen sein soll, sperrte ihr Vater sie zum „Schutz“ vor der Außenwelt in einen hohen Turm – neun Jahre verbrachte sie der Legende nach in ihm.Martyrium durch den Vater
In dieser Rapunzel-ähnlichen Haft fand sie den Weg zum Christentum und ließ neben den zwei Fenstern, die bereits im Mauerwerk eingelassen waren, ein drittes einbauen, um eine sinnbildliche Repräsentation des dreifaltigen Gottes vor sich zu haben. Als Dioskurus davon erfuhr, verfiel er in Raserei und wollte seine Tochter holen, um sie auf der Stelle umzubringen. Sie flüchtete vor ihrem Vater und erhielt dabei sogar göttlichen Beistand: Auf ihrer Flucht öffnete sich vor ihr ein Felsen, durch den sie verschwinden hätte können. Fast wäre es ihr gelungen, ihrem Vater zu entkommen, doch ein Hirte, der sie gesehen hatte, verriet sie. Sie fiel Dioskurus in die Hände, der sie nach dreijähriger Kerkerhaft und Folter schließlich eigenhändig köpfte.
Die Strafe für den Rabenvater folgte umgehend: In dem Moment, in dem er seine Tochter tötete, traf ihn ein Blitz und er starb. Obgleich die Echtheit dieser Legenden nicht bewiesen werden kann, erlangte die heilige Barbara, ihre Verehrung und ihr Andenken in der katholischen, orthodoxen und sogar in der protestantischen Kirche einen großen Stellenwert. Das liegt unter anderem wohl auch daran, dass die junge Heilige als Patronin der Bergleute, der Sprengmeister und Artilleristen gilt.
In Regionen, die vom Bergbau geprägt sind oder waren, wie der Steiermark, dem Ruhrgebiet oder Oberschlesien, war und ist die heilige Barbara eine stetige Begleiterin. In Tunneln und Stollen unter Tagen fanden sich früher zahlreiche Barbarastatuen, vor denen die Bergleute ihre Grubenlampen gleich Altarleuchten entzündeten.
Der berühmte Leobener Ledersprung findet bis heute jedes Jahr kurz vor dem Barbaratag statt: bei diesem Fest werden Studenten und Professoren, die ihre Zeit an der Montanuniversität in Leoben beginnen, feierlich durch einen Sprung über das sogenannte „Arschleder“ aufgenommen.Den Sieg über die Mauren nahm man zum Anlass, sie als Patronin der Artillerie zu verehren.
Der etwas anzüglich klingende Name kommt von der Verwendungsweise dieses Stückes Leder, das um die Hüften getragen wurde, um das Gesäß beim Hinabrutschen in den Stollen vor Verletzungen zu schützen. Die „Montantracht“, der Bergmannskittl trägt insgesamt 29 Knöpfe, um auf die 29 Lebensjahre der Patronin hinzuweisen, wobei die obersten drei immer geöffnet sind, als Hinweis entweder auf die von Barbara verehrte Dreifaltigkeit oder ihre drei Jahre in Kerkerhaft.
Der Blitzschlag, mit dem Dioskurus die schnelle Strafe für seinen Tochtermord ereilte, ist der Ursprung, wie sie zum Patronat über die Artilleristen kam. Auch dass nach der Anrufung der Heiligen eine - scheinbar unbesiegbare maurische Stadt endlich auf wundersame Weise durch die Spanier eingenommen werden konnte, gab weiter Anlass, sie zur Patronin der Artillerie zu erheben. Das klingt bis heute nach: Geschützbänke auf Kriegsschiffen werden „Barbette“, also kleine Barbara, genannt.
Die heilige Barbara ist uns vor allem durch blühende Kirschzweige zu Weihnachten bekannt. Wie passt der pittoreske Brauch zu ihrem von großem Leid und Einsamkeit geprägten Leben und den harten und entbehrungsreichen Berufen, deren Schutzheilige sie ist? Im Grunde genommen sogar sehr gut, da sich in diesem Zusammenhang von schrecklich und schön etwas ganz und gar Adventliches zeigt: Die Kirschblüten bringen Farbe in die winterlichen Wohnungen, das dritte Fenster lässt mehr Licht in das Turmzimmer, die Tunnellampen am Barbaraschrein erhellen den Schacht. Da schwingt die Weihnachtsbotschaft mit: Sie berichtet uns vom Licht der Welt, das in das Dunkel unserer Zeit kommt. Der Heiland kommt, um uns zu erlösen: Die finstere Nacht wird vom hellen Stern zerrissen, das Dunkel schwindet, das Licht siegt.
Autor: Matthias Wunder
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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