Vor 500 Jahren: Bannandrohungsbulle
Letzter Appell an Martin Luther

Lutherdenkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg, im Hintergrund das Rathaus. In der Universitätsstadt veröffentlichte Martin Luther (1483-1546) 1517 seine 95 Thesen zur Kirchenreform.
 | Foto: KNA/Benedikt Plesker
  • Lutherdenkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg, im Hintergrund das Rathaus. In der Universitätsstadt veröffentlichte Martin Luther (1483-1546) 1517 seine 95 Thesen zur Kirchenreform.
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Vor 500 Jahren, am 15. Juni 1520, erließ Papst Leo X. die Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ gegen Martin Luther – ein flammender, letztlich aber wirkungsloser Imperativ an Gott, Petrus, Paulus, Papst und Kirche, das „Wildschwein“ zu beseitigen, das den Weingarten des Herrn verwüstet.

Der 31. Oktober 1517 gilt als Auftakt zur Reformation. An diesem Tag hatte Martin Luther seine 95 Thesen kundgemacht, wenn auch nicht durch den „Thesenanschlag“ an der Wittenberger Schlosskirche. Die lateinisch abgefassten Thesen wurden alsbald ins Deutsche übersetzt und verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, sodass Luther selbst zunächst über deren ungeheure Wirkung erschrak. Diese beruhte weniger auf theologischen Inhalten, sondern auf Parolen wie: „Wir Deutschen können St. Peter nicht besuchen. Besser, es würde nie gebaut, als dass unsere Pfarrkirchen verfallen.“

In diesem Sinne schrieb Luther auch an Papst Leo X.: „Ich ließ einen Zettel mit Sprüchen vom Ablass ausgehen und lud allein die Gelehrten ein, ob etliche gegenwärtig oder schriftlich mit mir darüber verhandeln wollten … Was soll ich jetzt tun? Widerrufen kann ich nicht.“ Noch ist Luther ein treuer Sohn der Kirche: „Deshalb, Heiliger Vater, falle ich Eurer Heiligkeit zu Füßen und ergebe mich Euch samt allem, was ich bin und habe. Verhängt Leben, verhängt Tod, sagt zu, sagt ab, bestätigt, verwerft, wie Euch beliebt: Eure Stimme werde ich als die Stimme Christi anerkennen, der in Euch regiert und redet. Habe ich den Tod verdient, so weigere ich mich nicht zu sterben …“
Gegenüber Erzbischof Albrecht von Brandenburg zeigte sich Luther „schmerzlich erzürnt über die grundfalsche Auffassung, die das Volk daraus (aus dem Ablasshandel, Red.) gewinnt und mit der man sich öffentlich brüstet. Offenbar glauben die unglücklichen Seelen, ihrer Seligkeit sicher zu sein, sobald sie nur einen Ablassbrief gelöst haben.“ Der theologisch wenig versierte Erzbischof ließ Luthers Thesen und Schriften von der Universität Mainz prüfen. Dann berichtete er nach Rom, die Gelehrten hätten wohl Anklänge an Ketzerei entdeckt, es erscheine ihm aber nicht nötig, ein kirchliches Urteil ins Auge zu fassen, allenfalls eine Verwarnung. Dem Ablassprediger Johann Tetzel ließ er ausrichten, er solle jeglichen Konflikt mit Luther vermeiden.

Tetzel seinerseits forderte umgehend, Luther dem Feuer zu übergeben, und stellte 106 Gegenthesen zu Luther auf. Tetzel starb 1519 an der Pest. In diesem Jahr disputierte der Ingolstädter Theologe Dr. Johann Eck in Leipzig mit Luther. Dabei zeigte sich immer deutlicher, dass Luther die gesamte Wesensstruktur der Kirche in Frage stellte. Es ging nun nicht mehr nur um den Ablass, sondern um den päpstlichen Primat, die Irrtumsfreiheit der Konzilien, die Sakramente und die Heilige Schrift.

Auch in Rom gewann der 1518 eingeleitete Ketzerprozess gegen Luther an Schwung. Am 15. Juni 1520 erließ Papst Leo X. die Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“. Sie beginnt mit einem Zitat aus Psalm 73 nach der Vulgata-Bibel: „Erhebe dich, Herr, und richte deine Sache! Gedenke deiner Schmähungen, die den ganzen Tag von den Unweisen ausgehen.“ 41 Sätze Luthers werden darin zitiert und als falsch, ärgerniserregend oder anstößig bezeichnet. Luther wurden zwei Monate Zeit zu einem Widerruf eingeräumt.

Doch für Luther gab es nun kein Zurück mehr. Er antwortete auf die Bulle mit der Streitschrift „Wider die Bulle des Antichrists“. Als in mehreren deutschen Städten Luthers Schriften auf dem Scheiterhaufen landeten, verbrannte er am 10. Dezember 1520 die Bulle mit den an Rom adressierten Worten: „Weil du die Wahrheit Gottes verderbt hast, verderbe dich das ewige Feuer.“ In dieses Jahr fallen auch Luthers reformatorische Streitschriften: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, „An den christlichen Adel deutscher Nation“ und „Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“.

In dieser verfahrenen Situation gab es nur eine logische Antwort des Papstes: Am 3. Jänner 1521 wurde Martin Luther mit der Bannbulle „Decet Romanum Pontificem“ exkommuniziert. In deutschen Landen war der Konflikt damit nicht beigelegt. Luther rechtfertigte sich auf dem Parteitag in Worms. Als der Kaiser über ihn die Reichsacht verhängte, fand er durch das Eingreifen von Kurfürst Friedrich von Sachsen Zuflucht auf der Wartburg.

Initiative will Kirchenbann aufheben

In einer zu Pfingsten 2020 veröffentlichten Erklä­rung „Versöhnung nach 500 Jahren“ des Altenberger Ökumenischen Gesprächskreises setzen sich evangelische und katholische Theologen für eine Aufhebung der damaligen gegenseitigen Verurteilungen ein. An Papst Franziskus wird appelliert, die historische Bannbulle von Papst Leo X. (1513-21) gegen den Reformator Martin Luther (1483-1546) außer Kraft zu setzen. Zugleich solle der Lutherische Weltbund Luthers Verdikt gegen den Papst als „Antichrist“ zurücknehmen. Der Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, erklärte dazu: „Geschehenes können wir nicht auslöschen. Aber wir müssen darum besorgt sein, dass die Last der Vergangenheit nicht Zukunft verunmöglicht.“

Autor:

Leopold Schlager aus Niederösterreich | Kirche bunt

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