Kunstwerk im Eisenstädter Dom
Digitales Fastenerlebnis
Im Eisenstädter Martinsdom ist derzeit bis Karfreitag eine digitale Bildanimation des Künstlers Heinz Ebner zu bestaunen – sozusagen ein digitales Fastentuch. Dieses „übersetzt den Leidensweg Jesu in unsere Zeit“, betont Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics.
Nora Demattio
Dem in den Alpenländern einzigartigen Brauch wird in der Diözese Eisenstadt während der Fastenzeit in besonderer Weise neues Leben eingehaucht: das Aufziehen eines Fastentuches, das bis zum Karfreitag das Altarkreuz verhüllt. Künstler Heinz Ebner schuf dafür, auf Initiative von Bischof Ägidius J. Zsifkovics, ein digitales Fastentuch, das seit Aschermittwoch das Altarkreuz verhüllt aber der Bildsprache im Martinsdom in Eisenstadt eine neue Aufmerksamkeit gibt.
Ein Kreuzweg unserer Zeit. Die Idee des Bischofs, ein zeitgenössisches Fastentuch zu schaffen, entstand bereits im Dezember, mitten in der Ausweglosigkeit der Pandemie. „Das digitale Fastentuch aktualisiert den Kreuzweg Jesu in unsere Corona-Zeit. Es erinnert uns daran, den Auswirkungen der Pandemie von Isolation und Einsamkeit, Sorgen und Nöten sowie der inneren Leere mit Berührung und Begegnung, Hilfe und Gemeinschaft entgegenzutreten“, so Zsifkovics, der zu dem Werk den Text verfasste. „In den letzten 12 Monaten haben wir und unsere Gesellschaft eine starke Prägung erfahren: Vereinsamung, Hilflosigkeit, Notstand, Leere, Sprachlosigkeit. Mit dieser Erfahrung habe ich mich thematisch auseinandergesetzt und sie im Kreuzweg dieses Fastentuches verarbeitet“, erzählt Künstler Ebner.
„Um auferstehen zu können musste Jesus erst seinen Platz unter den Toten finden“, betont der Künstler. Die Animation beginnt mit einem eindrucksvollen Bild, kurz vor Ostern 2020, in dem Papst Franziskus mutterseelenalleine am verregneten Petersplatz steht. „Vor allem als er den Baldachin verließ, zum alten, gotischen Pestkreuz ging und dieses berührte – dieser Moment hat sich bei mir stark eingeprägt. Er zeigt, wie man mit Einsamkeit, Verlassenheit, Leid – Themen des traditionellen Kreuzweges – umgehen kann“, so Ebner. „Genau diese fehlende Berührung ist für uns der Kreuzweg heute. Es ist der Schmerz darüber, was wir nicht haben können: Hände schütteln, umarmen.“
Leere und Gemeinschaft. Bilder von Kindern und Großeltern hinter Glasscheiben mischen sich mit einem Rhythmus an Zitaten des unter dem Kreuz fallenden Jesus aus dem traditionellen Kreuzweg im Martinsdom. Die Leere auf dem Petersplatz setzt sich fort in der Leere der Kirchen. Denn eigentlich bleibt der Kirchenraum immer ein Symbol der Gemeinschaft und ein Ort der Begegnung. „In diese Leere hinein stürzt mit Christus unsere Gesellschaft. In aktuellen Gruften, Flughallen, Spitalssälen und Krankenlagern findet sie die Grablege. Die Darstellung von hunderten von Särgen unterstreicht dies.
Doch in den vielen Sequenzen gibt es ein aus dem Rahmen fallendes Bild am Schluss, sowohl farblich als auch formal: Eine Ikone mit der Darstellung des Auferstandenen, die kurz erstrahlt und sich dann in abstraktes Licht verwandelt. Das als Hinweis dafür, dass man den Kreuzweg nicht als ein von Gott aufgezwungenes Leid betrachten darf, das wir zu ertragen hätten, sondern dass der richtige Umgang mit dem Leid immer im Hinblick auf die Auferstehung passiert!“, betont Ebner.
74 Minuten. Die digitale Animation dauert insgesamt 74 Minuten und besteht aus rund 200 Sequenzen, die in „Slow-Slow-Motion“ gezeigt werden. „Ich habe auf eine sehr kontemplative Form der Abbildung gesetzt, dabei werden einzelne Szenen scheinbar übereinander geblendet und lösen sich langsam immer wieder in große ‚Pixel‘ auf“, so der Künstler. „Diese Rasterung“ sei „eine individuelle Formensprache. Durch die Pixelierung nehme ich Bezug auf den kleinsten Baustein, aus dem unser Leben, die Schöpfung, besteht. Aus ihm kann ein Virus, das unser Leben durchkreuzt, entstehen aber auch die Auferstehung, das Leben in Gott.“
Besuch im Dom. Das digitale Fastentuch kann bis Karfreitag (2. April) täglich von 7 Uhr bis nach den abendlichen Gottesdiensten besichtigt werden.
MEHR DARÜBER
Die Geschichte des Fastentuchs:Das Fastentuch hängt zumeist von Aschermittwoch bis Karfreitag im Altarraum katholischer und evangelischer Kirchen. Es verhüllt die bildlichen Darstellungen der oft prunkvollen Altäre – und lädt die Gemeinschaft ein, das Fasten auch mit den Augen zu üben. Ursprünglich gab das Fastentuch oftmals den Inhalt für die Fastenpredigten vor, in dem anhand der bildhaften Darstellungen die Schöpfungs- und Erlösungsgeschichte den Menschen nahegebracht wurde. Das Lesen der Bibel war nur wenigen vorbehalten. Eines der berühmtesten Beispiele ist das gotische Fastentuch in der alten Bischofskirche von Gurk in Kärnten. Bereits um das Jahr 1000 bezeugen Aufzeichnungen in der Benediktinerabtei Farfa (Italien) den Brauch des Fastentuchs. Bis ins 12. Jahrhundert blieb es ein rein symbolisches Objekt aus einfarbigem Stoff (häufig Leinen, auch Seide), der nur im Einzelfall durch ornamentale Stickerei verziert wurde. Danach entdeckte man das Fastentuch als Form der christlichen Kunst. Der gebräuchlichste Maluntergrund war bis ins 15. Jahrhundert Holz, danach veränderte die alpenländische Tradition die Werkstoffe. Es entstanden Frühformen der Tuchmalerei. Im Sinne einer Bilderbibel wurden Szenen aus dem Leben Jesu und der Heilsgeschichte gezeigt. Allmählich setzten sich Motive der Passion Christi durch. Ein zentrales Thema seit dem 16. Jahrhundert wurde die Darstellung der Kreuzigung, seiner Auferstehung und seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten. Dadurch trat ein Paradoxon zwischen theologischer und künstlerischer Idee zutage: bis dahin hatte das Fastentuch dazu gedient, den Anblick des Kruzifixes zeitweilig zu verhüllen. Das Brauchtum blieb bis ins 18. Jahrhundert in katholischen Gegenden, nach der Reformation aber nur in den Entstehungsbieten erhalten. Allerdings wird das Fastentuch neuerdings als Kunstform neu entdeckt.
Autor:Redaktion martinus aus Burgenland | martinus |
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