„Es gibt kein Muss“

Ein einfache s, hilfreiches Ritual: eine Kerze in Erinnerung an einen Verstorbenen entzünden.
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Rituale der Trauerbegleitung sind einfach und leben von der Wiederholung. Sie sind wichtig in der Verarbeitung eines Verlustes.

In letzter Zeit gebe es verstärkt Besuchsdienste der Pfarren durch ausgebildete Trauerbegleiter:innen, erzählt Nicole Leitenmüller, Referentin für Trauerpastoral in der Diözese Linz. Vier bis sechs Wochen nach einem Todesfall kommt jemand, um zu fragen: „Wie gehts denn jetzt?“ Dazu brauche es nicht viel, weiß sie aus eigener Erfahrung. Sie selbst bringe ein Teelicht und eine Hoffnungskarte mit. „Immer wird das Licht angezündet“, sagt sie, „und schon werden Erlebnisse mit dem Verstorbenen erzählt.“

RITUALE HELFEN

„Durch Rituale verweben wir die Trauer mit der Erinnerung und geben ihr einen neuen Platz in unserem Leben, verankert in unseren Herzen“, erklärt Nicole Leitenmüller die besondere Bedeutung von Ritualen: „Sie verbinden das Innen und Außen und eröffnen einen Blick in die Zukunft.“ Früher sei das Thema Tod präsenter im Alltag der Menschen gewesen, die Rituale klarer definiert. Verstorbene wurden zu Hause aufgebahrt, es gab eine fix definierte Trauerzeit über Monate und sogar Jahre. Ein Trauerschleier und schwarze Kleidung waren deutlich sichtbare Zeichen des Verlusts. Heute ist Abschied individueller und persönlicher. „Diese Freiheit erlaubt, individuell gestaltete Rituale zu wählen oder neu zu schaffen, die der eigenen Persönlichkeit und dem individuellen Trauerprozess guttun“, sieht Nicole Leitenmüller Chancen in der Veränderung. Sie erzählt ein Beispiel: Große Schweigsamkeit habe bei einem Fußballteam angesichts der Nachricht des Todes eines 27-jährigen Kollegen geherrscht. Das gemeinsame Entzünden von Spritzkerzen gab allen Kraft und machte den Fußballern wieder Mut für das nächste Spiel. „Danach wurde mit einem Bier angestoßen, ganz im Sinne des verstorbenen Kollegen“, erzählt Leitenmüller.

TRAUER IN WELLEN

„Der Trauerprozess ist ein natürlicher Vorgang“, sagt Katharina Raninger, Psychotherapeutin und Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin. Der Oberärztin am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums Linz ist es wichtig, zu betonen, da ss Trauer nichts Krankhaftes ist. Trauerphasen können individuell sehr unterschiedlich sein und unterschiedlich lang dauern: „Es gibt kein Mus s.“ Nach einer Schockphase kommen meist heftige Gefühle: Wut, Verzweiflung, aber vielleicht sogar Momente der Euphorie. „Alle Gefühle sind in Ordnung“, sagt die Expertin. Wut könne sich gegen sich selbst, gegen die verstorbene Person oder auch gegen Helfende richten. Davon sol lte man sich nicht irritieren lassen: „Ein akzeptierendes, nich t bewertendes Zuhören ist hilfreich.“

STABILITÄT TUT GUT

Zum Trauerprozess gehöre, sich intensiv mit dem Tod und der verstorbenen Person auseinanderzusetzen. „Ein stabiles Umfeld im Außen hilft beim Gefühlschaos im Inneren“, weiß Katharina Raninger. Am wichtigsten seien dabei die Familie, Freund:innen und eine Gemeinschaft, die trägt. Trauerverarbeitung braucht Zeit. Verlässliche Beziehungen helfen. Rituale sind dabei nicht nur für die betroffenen Personen, sondern auch für Helfende wichtig, da sie Sicherheit geben. Letztlich gelingt es den meisten Menschen, den Verlust zu akzeptieren und sich sowohl im Inneren als auch im Außen neu zu orientieren. Ist das nicht der Fall, rät die Psychotherapeutin und Ärztin Katharina Raninger, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

KIRCHE HILFT SEHR KONKRET

Die katholische Kirche ist in Österreich nach wie vor eine der ersten Anlaufstell en für Menschen in Trauersituationen. „In der Diözese Linz werden 64 Prozent der Abschiedsfeiern und Begräbnisse kirchlich begleitet, in den 1990er-Jahren waren es noch 80 Prozen t“, berichtet Daniel Neuböck, Bereichsleiter Seelsorge & Litur gie. In allen Diözesen gibt es ein vielfältiges Angebot an Seelsorge und Beratung, ausgebildete ehrenamtliche Trauerbegleiter:innen und die Telefonseelsorge, die rund um die Uhr anonym und kostenlos für die Menschen da ist. Besondere Angebote wie die „Nacht der 1.000 Lichter“ vor Allerheiligen oder „Weihnachten ohne dich“ sprechen viele Menschen an.

ANDREA MAYER-EDOLOEYI

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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