Taufe des Herren | 12. Jänner 2025
Meditation

Ein Strahl von Licht

Ausgelöscht werden Menschen, ausgelöscht werden Phänomene, ausgelöscht werden Erinnerungen. Mit dem Wort „Auslöschung“ denke ich in der Kunst von Zlatko Kopljar an ganz viel, was verdrängt ist. Ich denke genau so aber auch ans Gegenteil, nämlich ans Licht, an die Epiphanie, an die Erscheinung von etwas Größerem, das etwas übersteigt.

Das Kunstwerk, das die Auslöschung am stärksten zeigt, ist die 6. Konstruktion, wo Kopljar jenen Ort, jenen Moment markiert, in dem sein Vater (im Jugoslawien-Krieg) durch eine Bombe in die Luft gejagt wird: 23091992. Dies hat er dann acht Jahre später dort aufgesprayt auf die Straße, auf den Asphalt. Die Autos fuhren drüber, und nach zwei Wochen war das Kunstwerk ausgelöscht. Das hat eine Glaubwürdigkeit, die einem die Gänsehaut über den Rücken laufen lässt.

Der Künstler würde vermutlich sagen, er glaubt nicht. Weil ihm auch das enge Korsett einer Glaubensgemeinschaft viel zu klein ist, weil es für ihn ausschließt und nicht integriert.
Aber was er thematisiert, ist für mich zutiefst gläubig. Gläubig deshalb, weil er auf etwas vertraut und gleichzeitig die Dunkelheit mit hereinnimmt.

Schließlich wird er in den nächsten fünf Konstruktionen selbst zur Lichtfigur. Er wird so etwas wie eine Erlösungsfigur.

Da fällt ihm der Mond vom Himmel, und er umarmt dieses Licht in voller Zärtlichkeit. Ich kenne kein Kunstwerk in der zeitgenössischen Kunst, das das Thema „Tod“ so liebevoll, so hoffnungsvoll thematisiert.
Dann geht er schlussendlich zu einem Ziel, und man steht vor einem Hochhaus aus Licht. Als er in das Gebäude hineingeht, stellt sich heraus, dass in diesem alten Hochhaus nichts drinnen ist außer Lampen. Als Kind hat er seine Eltern gefragt: „Was ist das?“ Es leuchtet! Und es wird ein großer, symbolischer, fast metaphorischer Gang zur Quelle des Lichts.

Bei aller Dunkelheit, die diese Welt jetzt auch plötzlich wieder ausmacht: Es gibt so etwas wie einen Strahl oder einen Streifen von Epiphanie, von Durchblick, von Licht.

Johannes Rauchenberger, Interview für „Was ich glaube“, 5.1.2025, ORF 2.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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