BIBEL UND LEBEN
Leben wie Gott?

Alles ist möglich. Das wird einem beim Lotto eingeredet, und es ist auch – zumindest in der Theorie – nicht falsch. Es ist bloß nicht alles wahrscheinlich. Und gerade der große Gewinn, den alle erhoffen, ist ex­trem unwahrscheinlich. Wichtiger sollten uns andere Fragen sein: Was ist hilfreich? Was nützt mir in meinem Menschsein? Was macht mich zu einem glücklichen, freien und reifen Menschen? Ein Haupttreffer im Lotto hilft dazu kaum. Im Versprechen Alles ist möglich liegt eine teuflische Versuchung.
Die Urversuchung des Menschen beschreibt die Bibel mit dem Bild eines üppigen Gartens, in dem es an nichts fehlt. Alles, was der Mensch zum Leben braucht, ist im Überfluss vorhanden. Es ist ihm von Gott geschenkt. Und alles ist gut. Doch dann vergiftet ihm ein Gedanke das Leben: Es muss doch noch mehr geben. So wächst ein Misstrauen gegenüber Gott, der Verdacht, Gott könnte ihm etwas Wesentliches vorenthalten. Der Mensch lernt Gut und Böse zu unterscheiden, doch er wird dadurch nicht zu Gott, sondern erkennt, wie hinfällig, schwach und verführbar er ist.
Im Gegensatz dazu hält sich Jesus in der Wüste auf, an einem entbehrungsreichen Ort des Mangels. Doch er greift nicht nach den Verlockungen, die ihm der Versucher ausmalt, nach dem, was doch alles möglich ist, wenn er Gottes Sohn ist. Doch das zeigt er nicht, indem er seine Übermenschlichkeit und Allmacht beweist, sondern die Urversuchung des Misstrauens gegenüber Gott ausschlägt und an seiner vertrauenden Geborgenheit in Gott festhält. Weil er sich geliebt weiß, braucht er niemandem etwas zu beweisen.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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