14. Sonntag im Jahreskreis | 7. Juli 2024
Kommentar

Nicht ärgern, nur wundern.

Jeder Mensch hat eine Vorgeschichte. Jeder ist an einem konkreten Ort und zu einer bestimmten Zeit hineingeboren in diese Welt, ist geprägt von einem familiären Umfeld, einem Netz menschlicher Beziehungen. Das gibt Beheimatung und Rückhalt, beeinflusst die Entwicklung der Persönlichkeit, kann aber auch zu einem einengenden Korsett werden. Denn zum Menschen gehört auch die Fähigkeit, über seine biologischen und sozialen Prägungen hinauszuwachsen.
So werden – meist mit einem verständnisvoll herablassenden Seufzer ausgesprochene – Sätze wie „Den kenne ich ja von klein auf“ oder „Der ist eben so“ leicht zu einer Killerphrase, die es unmöglich macht, das Neue oder gar Prophetische, das durch diesen Menschen der Welt geschenkt ist, anzunehmen und zur Geltung zu bringen.
Jesus wird ein Opfer dieses Mechanismus, als er verändert in seine Heimat zurückkehrt. Für die Leute in Nazaret ist er nach wie vor bloß der Sohn eines Zimmermanns. Durch ihre Skepsis verwandelt sich das Staunen schnell in Ablehnung. Jesus erkennt, dass er hier nichts ausrichten kann, er wundert sich darüber und geht dorthin, wo ihm mehr Vertrauen entgegengebracht wird.

Alfred Jokesch
alfred.jokesch@sonntagsblatt.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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