Religionslehrer mit Esprit | Teil 09
Wissen ohne Werte ist sinnlos
Wir können nur säen und sehen, was dann passiert.“ So erklärt es Ulla Steinwidder relativ kurz gefasst. Das neunte Jahr unterrichtet die 1976 geborene Obersteirerin nun. Elf Klassen sind es, die ihr nicht gerade wenig abverlangen. Ihre Situation als Professorin am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Judenburg stellt schon eine ziemliche Diskrepanz zu ihrer eigenen Kindheit und Jugend dar. „Das Umfeld hat sich seit damals eben sehr verändert. Man bringt einen anderen Erfahrungshorizont mit, aber die religiöse Frage ist immer noch da.“ Die Mutter zweier Sprösslinge, Judith ist mittlerweile 13 Jahre alt und Florian 11: „Meinen Schülern ist das Institutionalisierte sehr fremd.“ Deshalb versucht sie, Religion nicht zur Parallelwelt zur vielleicht doch eher poppigen Welt der Kids geraten zu lassen.
In enger Zusammenarbeit mit dem Lehrerteam an der Schule lässt sie sich einiges einfallen, um Schüler neben den Unterrichtsstunden anzusprechen, und der Erfolg gibt ihr recht. „Sie nehmen Angebote von religiösen ‚Events‘ sehr offen an. Zu unserer Rorate mit anschließendem Frühstück im Advent kommen etwa 70 von 150 Schülern immerhin um 6 Uhr am Morgen, weil es fremd und spannend ist. Es ist schon erstaunlich, dass unsere Oberlandkinder, die teilweise einen weiten Schulweg haben, da mitmachen.“ Jedes zweite Jahr gibt es abwechselnd eine Adventwanderung nach Maria Buch, die auch viele annehmen. Das zeige, dass religiös geprägte Zeiten sehr wohl gefüllt werden können und eine Dimension geöffnet werden kann. „Spiritualität in geringer Dosis ist verträglich“, ist sich Ulla Steinwidder sicher. Allerdings verlangt das den Religionslehrern viel ab. Diese Veranstaltungen sind vorbereitungs- und arbeitsintensiv.
Ulla Steinwidder selbst ist kirchlich sozialisiert und hat ihre Jugendzeit in der Pfarre Knittelfeld unter Pfarrer Hans Schrei verbracht. Das Leben als Christin in der heutigen Zeit zu gestalten, wurde für sie zum Erlebnis und zum Auftrag. „Diese Lebensform, wie wir sie in der dortigen KJ gefunden haben, wollte ich weitergeben.“ Im Laufe des Studiums wurde der Wunsch, zu unterrichten, zur klaren Zielvorstellung. Ihr Mann Walter ist Diakon und Pastoralassistent im Pfarrverband Unzmarkt. Für ein eigenes pfarrliches Engagement in der Freizeit bleibt allerdings kaum Zeit. Jetzt, wo die Kinder größer sind, beginnt die Musik im Leben von Ulla Steinwidder wieder ein bisschen zu klingen. Die Geigerin sucht gerade Anschluss an ein größeres Orchester, um einer ganz speziellen Leidenschaft zu frönen, nämlich klassische Streichmusik zu spielen.
„Religionslehrer begegnen ihren Schülern sehr menschlich, das macht unsere Tätigkeit manchmal auch seelsorglich.“ Hier gelte es aber Grenzen zu wahren. „Die heutigen Schüler sind dem religiösen Wissen aufgeschlossen, wenn sie Menschen begegnen, die zu ihrer Meinung stehen.“ Eine Herausforderung für jeden Tag.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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