Das Konzil wieder lesen | Teil 06
Wirklich engstens verbunden
Das Verständnis der Kirche, wie es sich vor allem zwischen dem Ersten und Zweiten Vatikanischen Konzil ausgebildet hat, war durch eine scharfe Grenzziehung zwischen der Kirche und dem Bereich außerhalb der Kirche gekennzeichnet. Das Stichwort extra ecclesiam nulla salus (außerhalb der Kirche kein Heil) war dafür charakteristisch. Mit anderen Worten: Man ist davon ausgegangen, dass Menschen an der durch Jesus und seinen Tod am Kreuz gewirkten Erlösung, also an der Gemeinschaft mit Gott und am ewigen Leben nur dann Anteil erhalten können, wenn sie durch Glauben und Taufe sichtbares Mitglied der Kirche geworden sind. Zwar hat man das bekannte Wort des Bischofs und Theologen Augustinus († 430) nicht vergessen, dass viele, die außerhalb der sichtbaren Kirche sind, in Wirklichkeit in ihr sind. Aber alle Möglichkeiten, das Heil außerhalb der Kirche zu erlangen, wurden als außerordentliche Wege angesehen, die nur unter bestimmten Bedingungen gelten. Es besteht kein Zweifel, dass eine solche Sicht der Dinge ein starkes Motiv gewesen ist, der katholischen Kirche anzugehören. Andererseits war damit die – quälende – Frage verbunden, was zum Beispiel mit Menschen ist, die von der Kirche nichts wissen oder sich von ihr abgewendet haben. Deshalb haben sich bedeutsame Konzilstheologen wie Henri de Lubac, Joseph Ratzinger und Karl Rahner die Frage gestellt, ob nicht eine andere Sicht möglich ist. Auf ihre Überlegungen konnte das Konzil zurückgreifen.
Wenn überall mit Gottes Geist zu rechnen ist
Das hat das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution getan. Mit den Worten dieses Dokumentes gesagt: „Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein.“ (GS 22) Gott eröffnet also allen Menschen die Möglichkeit, dass sie am österlichen Geheimnis der Erlösung und dadurch an seinem göttlichen Leben Anteil erhalten. An anderer Stelle verweist das Dokument da-rauf, dass durch das Wirken des Heiligen Geistes „allen Menschen der Weg der Liebe offen steht“ (GS 38). Entscheidend ist, dass sich die Menschen auf diesen Weg einlassen.
Kirche und Christsein werden nicht überflüssig
Eine solche Sicht macht die Kirche und den Eintritt in die Kirche nicht überflüssig. Die einzigartige Aufgabe der Kirche und ihrer Mitglieder wird vom Konzil mit dem Begriff des Sakramentes zum Ausdruck gebracht, den das Konzil in der Kirchenkonstitution Lumen gentium verwendet. Die Kirche wird dort als „universales Sakrament des Heiles“ (LG 48) bezeichnet. Wie das Konzil am Beginn dieses Dokumentes festhält, ist sie Sakrament „in Christus“, also durch ihre Verbindung mit Christus (LG 1). Und das Konzil erläutert: Die Kirche macht als Sakrament die Gemeinschaft mit Gott und die Einheit der Menschen untereinander einerseits sichtbar (sie ist Zeichen) und sie bewirkt andererseits diese doppelte Einheit (sie ist Werkzeug). Das ist freilich nicht nur eine Tatsache, sondern auch eine Aufgabe für die Kirche. Unmittelbar nach dem Konzil hat Joseph Ratzinger in einem kleinen Artikel deutlich gemacht, was diese Sicht für die Kirche, Christinnen und Christen bedeutet: „Der Dienst des Christseins ist für einen Christen“ – so schreibt Ratzinger – „nicht groß, weil er selbst gerettet, die anderen aber verworfen werden (das wäre die Haltung des neidischen Bruders und der Arbeiter der ersten Stunde), sondern weil durch ihn auch die anderen gerettet werden.“
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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