Schöpfung im Klimawandel | Teil 4
„Wassermangel wird ein weltweites Thema“
In einer mehrteiligen Serie widmet sich das SONNTAGSBLATT den brennenden Fragen der Schöpfungsverantwortung angesichts des Klimawandels und der Erderwärmung.
von Markus A. Langer
In Folge 4 weist der Hydrologe Günter Blöschl darauf hin, dass wir – Klimawandel hin oder her – die Wasserwirtschaft nachhaltig gestalten müssen. Das heißt: nicht mehr Wasser entnehmen als langfristig vorhanden ist.
Wie kann man den Wasserkreislauf der Erde beschreiben?
Günter Blöschl: Das Wasser in den Ozeanen verdunstet und wird dann durch den Wind auf die Kontinente transportiert. Dort regnet es, und das Regenwasser sickert in den Boden ein, weiter darunter in das Grundwasser, oder rinnt an der Oberfläche ab in die Flüsse und gelangt dann wieder in den Ozean. Dadurch entsteht ein Kreislauf, der nie aufhört.
Wie verändert der Klimawandel den Wasserkreislauf?
Der Klimawandel entsteht dadurch, dass sich die Erde durch die erhöhten Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und anderen Gasen in der Atmosphäre erwärmt. Diese höheren Temperaturen haben zur Folge, dass sich auch der Wasserkreislauf ändert. Vor allem in der Nähe des Äquators regnet es mehr. Weiter weg, in den mittleren Breiten, regnet es tendenziell weniger.
Sie haben sich intensiv mit Hochwasserereignissen beschäftigt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Veränderung der Häufigkeit und Größe solcher Ereignisse?
Ja, den gibt es. Im Nordwesten von Europa regnet es mehr und stärker als früher, und dadurch werden die Hochwasser größer. Im Süden von Europa hingegen regnet es tendenziell weniger, und die Verdunstung ist höher. Dadurch ist der Boden trockener. In den mitteleuropäischen Gebieten ist der Abfluss in den Flüssen kleiner, und auch die Hochwasser werden kleiner. Im Osten von Europa gibt es jetzt weniger Schnee, weil es um fast zwei Grad wärmer ist als vor 40 Jahren, und dadurch werden die Schneehochwasser kleiner. Wenn man auf die Weltkarte blickt, dürfen wir nicht sagen, generell werden die Hochwasser überall stärker, sondern wir müssen die Sache differenzierter ansehen. In manchen Regionen werden sie größer, in anderen kleiner. Wo das größer oder kleiner wird, hängt im Wesentlichen von der atmosphärischen Zirkulation ab, also wie sich die Luft in der Atmosphäre bewegt. Aber es hängt auch damit zusammen, wie die Menschen die Landnutzung verändern, Stichwort Abholzung der Wälder und Begradigung der Flüsse durch Wasserbauten.
Sie haben eine Studie veröffentlicht, die aufzeigt, wie sich die Wasserversorgung weltweit in Zukunft verändern könnte.
Auf Basis von Messdaten aus über 9500 hydrologischen Einzugsgebieten auf der ganzen Welt haben wir untersucht, welche Konsequenzen eine Veränderung von Niederschlagsmengen oder Temperatur lokal auf Flüsse und die Verfügbarkeit von Wasser haben kann. Die Studie hat gezeigt, dass einige Regionen der Welt schon sensibler reagieren, als man das gedacht hat. Das heißt, Wassermangel ist ein Thema, mit dem wir uns zunehmend auf der ganzen Welt beschäftigen müssen. Österreich ist da keine Ausnahme, auch wenn wir in einer relativ glücklichen Situation sind. Von Trockenheiten waren in den letzten Jahren besonders der Norden und der Osten, Stichwort Neusiedlersee, sehr stark betroffen. Auch wenn im Juni dort wieder der Wasserspiegel gestiegen ist, hatten wir Anfang dieses Jahres die tiefsten Wasserstände seit 60 oder 70 Jahren.
Hat es in der Wasserbilanz Österreichs in den letzten Jahrzehnten Veränderungen gegeben?
In den letzten 40 bis 50 Jahren gab es einen Trend in den Wasserhaushalts-Komponenten. Der Niederschlag hat zugenommen, im Sommer hat es tendenziell eher mehr geregnet. Die Verdunstung ist ebenfalls gestiegen. Der Effekt von diesen beiden Veränderungen war, dass sich die Abflüsse nicht so viel verändert haben. Die Verdunstung vom Boden und vor allem durch die Pflanzen hat in vierzig Jahren um 17% zugenommen, das ist ein Plus von 80 Millimeter im Jahr (Anm.: 6,7 Milliarden Kubikmeter). Diese Wassermenge verschwindet als unsichtbarer Wasserdampf einfach in die Atmosphäre und steht nicht mehr für die Menschen zur Verfügung.
Hat die erhöhte Verdunstung Auswirkungen auf die Neubildung von Grundwasser?
Diese hat tatsächlich eine sehr starke Auswirkung, wobei man berücksichtigen muss, in welcher Jahreszeit diese Veränderungen auftreten. Die Grundwasserneubildung in Österreich tritt vor allem im Winter auf, wenn die Böden gesättigt sind, weil die Verdunstung klein ist. Dann kann das Wasser durch den Boden ins Grundwasser hinein infiltrieren. Im Sommer sind die Böden trockener, da bleibt das Wasser im Boden und kommt nicht bis zum Grundwasserspiegel. Wir haben in den letzten Jahren – nicht nur an den Wasserständen der Flüsse, sondern auch an den Grundwasserständen – gesehen, dass die Niederschläge im Winter besonders niedrig waren. Das bedeutet sowohl für die Ökologie, für die Landschaft, einen Mangel als auch für die Wasserverwendung wie für Bewässerung oder Trinkwasserversorgung eine Knappheit.
Was kann die Wasserwirtschaft tun, um diese Veränderungen auszugleichen?
Nicht alle Veränderungen und Probleme im Wasserkreislauf sind durch den Klimawandel gemacht. Das gilt für Österreich, aber auch für alle anderen Länder. Zu allererst müssen wir die Wasserwirtschaft mit oder ohne Klimawandel nachhaltig gestalten. Das heißt: nicht mehr Wasser entnehmen als langfristig vorhanden ist. Darauf aufbauend muss man damit umgehen, was uns der Klimawandel bereitet: häufigere Trockenzeiten, größere Hochwasser in manchen Regionen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten: technische Maßnahmen, wie Speicherung von Wasser, Vernetzung der Wasserversorgung, großräumige Wasser-Umleitung. Zusätzlich gibt es organisatorische, politische, wirtschaftliche, kulturelle Maßnahmen. Man kann zum Beispiel Feldfrüchte anbauen, die weniger Wasser brauchen und vielleicht weniger lukrativ sind. Man kann, und das ist weltweit ein großes Thema, auch die Ernährung umstellen. Gedanklich ist es möglich; ob Menschen sich daran halten, ist natürlich eine zweite Frage.
» Man kann Feldfrüchte anbauen, die weniger Wasser brauchen … «
Die Fleischerzeugung braucht sehr viel Wasser. Ein Kilogramm Rindfleisch benötigt ungefähr 10.000 Liter Wasser für die Produktion. Wenn das Wasser nicht vom Regen kommt, sondern vom Grundwasser oder den Flüssen entnommen wird, ist es eine ungeheure Belastung für den Wasserkreislauf. Wenn man stattdessen Gemüse isst, wobei man nur 300 Liter Wasser pro Kilogramm für den gleichen Kalorienbedarf benötigt, dann würde Wasser ungeheuer gespart werden. Das ist aber eine Frage der Kultur, der Essgewohnheiten. Und es ist nur dort relevant, wo Wasser wirklich für Bewässerung verwendet wird. Wenn es Regenwasser ist, das ohnehin zur Verfügung steht, dann ist diese Entscheidung weniger relevant.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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