In Zeiten der Trauer | Teil 04
Von Hoffnung getragen

Weil Hoffnung mehr ist als positives Denken, kann sie auch im Sturm tragen. | Foto: Grager
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Leidenschaftlich hoffen

Hermann Glettler, Bischof und Künstler(= HG), und
Michael Lehofer, Psychiater und Psychologe (= ML), zeichnen in ihren vielschichtigen Gesprächen einige Wegspuren aus der Verlorenheit – anspruchsvoll und nachhaltig.

ML: Jeder Arzt kennt die angsterfüllten Augen von Patienten oder Angehörigen, die mit einer schlimmen Diagnose konfrontiert wurden. „Gibt es noch Hoffnung?“ Das ist tatsächlich die große Frage. Es ist gar nicht so leicht, in einer solchen Situation souverän zu bleiben – einerseits der Wahrheit verpflichtet zu sein und andererseits die lebenswichtige Hoffnung für Betroffene nicht zu zerstören.

HG: In einer derartigen Situation relativiert sich die Palette unserer eher alltäglichen Hoffnungen fast ins Lächerliche: Wir hoffen auf ein gutes Wetter, auf ein gutes Abendessen und auf einen beruflichen Erfolg. Abstrakter als das sind die Hoffnungen auf Glück, auf ein langes Leben und vor allem auf eine stabile Gesundheit.

ML: Hoffnungen sollten nicht als Vertröstungen missverstanden werden. Sie sind Spannungsräume, die sich zwischen dem, was wir an bedrängender Wirklichkeit wahrnehmen, und dem, wie es wünschenswerterweise auch sein könnte, ausfalten. Hoffnungen haben ihre Berechtigung als „Zukunftsateliers“.
Wenn man in einer verzweifelten Lage ist, dann vermittelt einem die Hoffnung einen kreativen Raum für mögliche Problemlösungen. Wenn dieser jedoch ausgeschöpft ist, kann es nützlich sein, Hoffnungen aufzugeben. Mitmenschen, die verzweifelt gegen ihre Krebserkrankung gekämpft haben, aber einsehen mussten, dass die therapeutischen Möglichkeiten erschöpft sind, haben manchmal den Mut, diese ihre Hoffnungen aufzugeben. Sie wirken gerade dadurch erlöst und frei. Aber nicht allen gelingt es, in dieser Weise „loszulassen“.

HG: Ich denke, dass es wichtig ist, wie du geschildert hast, jene Hoffnungen aufzugeben, die an allzu konkrete Vorstellungen geknüpft sind. Solche Hoffnungen werden häufig enttäuscht. Unser Leben ist doch wunderschön und zerbrechlich zugleich! Ich kann auf Dauer nicht gegen die Zerbrechlichkeit unseres Daseins „anhoffen“.
Vor kurzem ist ein junger Priester unserer Diözese bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Wir alle haben sehr um ihn geweint. In den Jahren zuvor haben sich viele um ihn gesorgt und gehofft, dass bei seiner risikoreichen Leidenschaft für den Motorsport nichts passieren möge.

ML: Auch wenn in diesem Fall die Sorge berechtigt erscheint, konnte sie das Unglück nicht verhindern. Zahlreiche Sorgen, die Menschen haben, sind nutzlos und vermiesen das Leben. Manchmal frage ich, wie viele Sorgen sich im Nachhinein als berechtigt im Sinne echter „Vor-Sorgen“ zur Vermeidung von Unglück herausgestellt haben. Die Antwort ist ernüchternd. Kaum eine Sorge war es wert, sich derart in unserem Geist eingenistet zu haben.
Hoffnung ist mehr als eine Durchhalteparole, auch mehr als nur positives Denken und Optimismus. Denn die Hoffnung bezeichnet nicht nur ein kognitives oder gefühlsmäßiges Schema, sondern ist von einer tiefen inneren Erfahrung geprägt. Das positive Denken und der Optimismus können dazu verleiten, Teile der Wirklichkeit systematisch auszublenden, während Hoffnung alles zulässt.

TRAUER konkret


Wann kommt das Kriseninterventionsteam (KIT) zum Einsatz, und wie kann Notfallseelsorge helfen?

Wenn ich zu einem KIT-Einsatz komme, ist zu 99 % jemand gestorben, und zwar meist plötzlich und tragisch. Großteils rufen uns die Einsatzkräfte, um Angehörige und Betroffene in dieser Akutsituation zu betreuen.
Erstmal braucht es Zeit, um Vertrautheit aufzubauen – wir sind ja Fremde für die Menschen, denen wir helfen. Dann hören wir zu. Menschen erzählen zu lassen ist wichtig. Manchmal können einzelne Fragen dazu anregen. Wenn Menschen (noch) nicht reden, sind wir da und halten das Schweigen miteinander aus.
Als Notfallseelsorgerin achte ich, ob Menschen religiöse Be-dürfnisse zeigen – wenn jemand möchte, beten wir gemeinsam. Beim Vorbereiten von Wachtgebeten können wir unterstützen, und auf Wunsch begleiten wir Menschen auch beim Begräbnis. Alles darüber hinaus legen wir in andere professionelle Hände und vermitteln Kontakte zu Trauergruppen, PsychologInnen oder psychosozialen Diensten in der Region.
Kontakt: KIT–Notrufnummer 130, notfallseelsorge@graz-seckau.at

Margit Ablasser ist beim Kriseninterventionsteam und Notfallseelsorgerin.

Weil Hoffnung mehr ist als positives Denken, kann sie auch im Sturm tragen. | Foto: Grager
Margit Ablasser ist beim Krisen-interventionsteam und Notfallseel-sorgerin. | Foto: Neuhold
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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