Brasilien | Teil 03
Verborgene Menschen suchen

Bildung schafft Veränderung

 

Leda Benevello de Castro ist eine mutige Frau, mit lauter Stimme und klarer Sprache: „Wir kämpfen nicht, damit neue Rechte festgelegt werden, sondern dass jene eingehalten werden, die es bereits gibt.“ Die brasilianische Soziologie-Professorin engagiert sich vehement – vor allem gegen Unterdrückung und Rassismus in ihrem Land. Keine gewöhnliche Arbeit.

Die Hilfe der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter in den drei kleinen, mit übervollen Regalen angestopften Büros im CEDEFES-Dokumentationszentrum im brasilianischen Belo Horizonte ist eine indirekte: Leda und ihre Kollegen suchen in der Provinz Minas Gerais nach unbekannten Quilombola- (Nachfahren der ehemaligen afrikanischen Sklaven) und Indio-Gemeinden. Und helfen ihnen, sich selbst zu helfen.

Die Suche fällt jedoch nicht leicht: Von der Gesellschaft ausgestoßen, leben diese oft verängstigt und zurückgezogen im Verborgenen. Deren Furcht vor Berührung mit der Außenwelt erschwert den CEDEFES-Mitarbeitern die Kontaktaufnahme. Gelingt dies, recherchieren sie deren verdrängte, konfliktreiche Geschichte und sammeln Informationen über ihre kulturellen Ausdrucksformen. Aber nicht aus bloßer Neugierde.

Das neue Wissen ist Anfang für Veränderungen: Es fällt ihnen schwer, sich als ehemalige versklavte Bevölkerung anzuerkennen. Informationen über die eigene Kultur und Geschichte verleihen den ehemals Unterdrückten jedoch Selbstbewusstsein. „Unser Job ist es, diese Menschen zu bilden“, berichtet Leda Benevello de Castro über ihre Arbeit, welche die Katholische Männerbewegung in der Steiermark seit Jahren unterstützt. „Durch unsere Tätigkeit geben wir den Menschen Stolz und Selbstwert. Sie sollen sich nicht mehr für ihre Herkunft und Kultur schämen.“

Mehr noch: Die Mitarbeiter im CEDEFES-Dokumentationszent-rum sehen sich auch als Mediatoren zwischen dem Staat und den unbeachteten Bevölkerungsgruppen. Man drängt darauf, die Rechte der Quilombolas und Indios, in der brasilianischen Verfassung niedergeschrieben, ernst zu nehmen. Vor allem pocht man auf deren Recht auf Landbesitz.

Den Kampf der Indios und Quilombolas um Land, der sich lange durch die brasilianische Geschichte schlingt, machten die Mitarbeiter des CEDEFES-Dokumentationszentrums erstmals sichtbar: Seit einem Jahrzehnt sammeln sie Bücher, Zeitungsausschnitte, Tonbänder und Videokassetten, welche die Geschichte dieser verborgenen Bevölkerung dokumentieren. Noch vor 13 Jahren, während der Militärdiktatur, wagte niemand, solche Informationen der Öffentlichkeit bereitzustellen. Heute ist CEDEFES eine wichtige Medienstelle für soziale Bewegungen und ein Gegengewicht zu häufig manipulierten Informationen in staatlichen Medien. Ihren Kritikern sagen die CEDEFES-Mitarbeiter daher: „Unsere Arbeit ist nicht immer sichtbar. Aber sie ist Voraussetzung für ein gerechteres Brasilien.“

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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