Mein Kraftort_5: Steiermark
Unterwegs im steirischen Betlehem

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In der Steiermark angelangt führen wir Sie weit in den Südosten, an die slowenische Grenze, zu einem persönlichen Wohn- und Kraftort mit überregionalem Ruf.

Katharina Grager

Als ich vor fast schon zehn Jahren das erste Mal von der Marktgemeinde St. Anna am Aigen in der Südoststeiermark hörte, dachte ich als in Stadtnähe aufgewachsene junge Studentin: „Oh mein Gott …, keine Autobahn weit und breit und auch kein Bahnhof, den man schnell zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen könnte? Das liegt doch am Ende der Welt …“

Am Ende der Welt ist es schön
Dann setzte ich erstmals meinen Fuß in die Gegend des südoststeirischen Hügellandes – von der Touristik auch pfiffig „Steirisches Vulkanland“ genannt – und war überrascht. Am ersten Sommerabend in meiner inzwischen neuen Heimat saß ich unter freiem Himmel und lauschte – was ich hörte? Nichts! Also fast nichts. In der Ferne schrie irgendwo ein Käutzchen, und das, was ähnlich einem Bellen klang, sei ein Reh, lernte ich damals. Kein Autobahn-Rauschen oder das Rattern nächtlicher Güterzüge, wie ich es von daheim kannte.
Und dann der Sternenhimmel. Absoluter Toptipp: nachts im Weingarten den Perseiden beim Schauern zusehen oder einfach nur die Milchstraße betrachten. Was hier durch wenige störende Lichtquellen ungetrübt möglich ist. Obwohl ich meine Kindheit nicht in einer Asphaltwüste, sondern in einem Haus mit großem Garten verlebte, berührt mich die naturnahe Landschaft der Südoststeiermark immer wieder aufs Neue.

Landwirtschaft voller Ideen

Die exponierte Lage an der Grenze zu Slowenien gibt der Gegend einen eigenen Charme. Wirtschaftlich lange wenig entwickelt, weil am Eisernen Vorhang gelegen, sprießen inzwischen immer neue Initiativen in der Region: von einer Kaffeerösterei über eine Alpaka-Zucht, einen Ziegenhof bis hin zur Fromagerie. Einfallsreichtum und Pioniergeist liegen in der Luft.
In der Landwirtschaft wurden und werden immer wieder neue Wege eingeschlagen. Einer meiner ersten Eindrücke von der Landschaft waren ganze Felder voller knorriger niedriger Bäumchen – was wächst hier? Holler? Also Holunder? Den kannte ich bis dato nur als wilden Strauch am Waldrand. Jedes Frühjahr darf ich nun im ganzen Haus den süßen Duft des Holunders genießen, wenn die Plantage in der Nachbarschaft in voller Blüte steht.
Neben dem steirischen Ölkürbis, der das grüne Gold, besser bekannt als Kürbiskernöl, hervorbringt, und unterschiedlichsten Weinsorten, bauen findige Bauern und Bäurinnen auf süße Früchtchen wie Heidel- oder Himbeeren. Auch die Aroniabeere hat in der Region Wurzeln geschlagen und wird zu mehr oder weniger schmackhaften, aber jedenfalls gesunden Säften verarbeitet. Auf die Heilkraft der Natur wird hierzulande geschworen.

Unterwegs am „Weinweg der Sinne“
Wenn ich vor die Haustür trete, muss ich keine fünf Minuten gehen, um mitten im Wald zu stehen. Wer es gerne sportlicher hat, findet in und um St. Anna viele (Wander)Wege, die so geschickt durch die sanften Hügel führen, dass man auch ordentlich Höhenmeter sammeln kann. Allen voran der bekannte „Weinweg der Sinne“, der im Ortskern der Gemeinde, gleich in der Nähe der Gesamtsteirischen Vinothek beginnt und bei der Pfarrkirche ein paar hundert Meter südlich endet. Dazwischen liegen aber knapp 14 abwechslungsreiche Kilometer Wegstrecke mit erlebnis- und genussreichen Stationen, voll von sinnlichen Eindrücken.
Teils ganzjährig zur Selbstbedienung geöffnete Labestationen am Weg bieten einen Querschnitt durch die regionale Produktpalette. Wem die große Route zu weit wird, der kann schon früher abzweigen und wird nach einem letzten scharfen Anstieg über die Leitn vom Kirchenriegel mit einem beeindruckenden Ausblick von der alten Wehrmauer rund um die Pfarrkirche St. Anna belohnt. An guten Tagen lässt sich im Süden bis zu den Skihängen des Pohorje in Slowenien blicken.

Wie kam’s zum „steirischen Betlehem“
Auf einen Sprung in die helle freundliche Pfarrkirche findet man sich wortwörtlich in der „Wohnung Gottes unter den Menschen“ (Off 21,3) wieder – so steht es jedenfalls in geschwungenen Lettern am Bogen über dem Altarraum. Am Hochaltar aus der Werkstatt von Veit Königer kann man die beliebte Darstellung von Anna, die Maria das Lesen lehrt, betrachten.
Vom Stolz auf die Söhne und Töchter des Ortes zeugt eine Glastafel im Eingangsbereich der Kirche. Neben berühmten Priestern, wie Kardinal Franz Andreas Frühwirth, Fürstbischof Leopold Schuster, Domkapellmeister Anton Lippe und Erzbischof Franz Lackner, sind alle männlichen wie weiblichen geistlichen Berufungen des Ortes dort eingraviert – stolze 36 Priester- und 25 Ordensberufungen kann man dort nachlesen und -zählen. So kam der Ort auch zu seinem Spitznamen „steirisches Betlehem“.
Nach dem Kirchenbesuch führt ein Trampelpfad durch den Weingarten unterm Ortskern vorbei am alten Pfarrkeller mit historischer Weinpresse zurück zum Ausgangspunkt, wo man sich zur Belohnung ein regional produziertes Eis (bevorzugte Sorte: Holler-Traube) gönnen – oder aber einfach nur müde und glücklich die Patschen strecken und den Abend ausklingen lassen kann.

Rund um St. Anna am Aigen

Die Marktgemeinde St. Anna am Aigen liegt im südoststeirischen Hügelland, wo das Burgenland, die Steiermark und Slowenien aufeinandertreffen. Durch den Weinbau ist der Ort überregional bekannt geworden.

Alles rund um den Wein.
Seit 1993 prägt die Gesamtsteirische Vinothek mit für die damalige Zeit futuristisch anmutender Architektur das Ortsbild von St. Anna am Aigen. In den letzten Jahren wurde am Hang unter der Vinothek ein Patenschafts- und Erlebnisweingarten angelegt und die „Lange Tafel“, ein Freiluft-Veranstaltungsort mit Outdoorküche, gebaut, die auch für private Feste und Feierlichkeiten mietbar ist. Der Sommer in der Südoststeiermark ist geprägt von Weinfesten: Das Fest Terra Vulcania, das den ganzen Ortskern von St. Anna für eine Nacht zum Brodeln bringt (inklusive Vulkanausbruch), oder die gemütlichen Straßenfesten wie das Kellerstöcklfest am Stradenberg oder Ga’Weint Gehen im nahen Klöch sind Anziehungspunkte für Einheimische wie „Zuagroaste“.

Wandern und Radfahren. Die sanften Hügel der Gegend ermöglichen auch gemächliche sportliche Betätigung. Viele Wanderwege laden zu Tagesausflügen und nachmittäglichen Spazierrunden ein. Allen voran der Weinweg der Sinne, der beim Gemeindeamt St. Anna am Aigen startet oder der in Tieschen gelegene Tau-Weg der Riede oder der Klöcher Traminerweg und viele mehr.
Wer seinen Radius vergrößern möchte, kann sich auf das (mitgebrachte oder vor Ort ausgeliehene) Zweirad schwingen. Viele Radwege führen durch die Region – allen voran der Thermenradweg R12, der in Bad Radkersburg endet.

Auf einen Stadtbummel in Bad Radkersburg: Die südöstlichste Stadt der Steiermark ist einen Besuch wert. Durch die teils noch mit Murnockerln (Flusssteinen) gepflasterten Straßen und engen Gassen, zwischen den liebevoll gepflegten alten Häusern flaniert es sich wie mitten in der Toskana. Und bei einem Stück Torte in der Kurkonditorei entfaltet sich typisch österreichisches Flair. Für Wasserratten sind die Thermen in der Region zu jeder Jahreszeit ein willkommener Ort zum Austoben oder Relaxen.

Homepage der Region Steirisches Vulkanland

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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