Medizin-Mensch-Moral | Teil 07
Sterbekultur
Wie möchten Sie sterben?
Das Spitalbett wartet schon, wir haben das Hotel zum Totenacker schon gebucht“, vernimmt der Gesell am Ende seiner Lebenswanderschaft von Frau und Tochter, „wir können dir viel erzählen, doch landen wirst du im Gitterbett, in Eis und Nacht und Graus, das steht fest.“ In Abschnitt Sieben ihres an Schubert-Motiven und aktuellen Bezügen reichen Theaterstücks Winterreise verdichtet Elfriede Jelinek die buchstäblich irrsinnigen Umstände des nahenden Todes in eindrückliche Bilder. Unabweisbar meldet sich die Frage: Wollen wir so sterben? Sind unsere Krankenhäuser in Zeiten der Hochleistungsmedizin mit wenigen Ausnahmen tatsächlich zu Stein und Stahl gewordene Gegenentwürfe dessen, was ein Mensch am Ende seines Lebens braucht? Bedarf es folglich eines Plädoyers für eine neue Sterbekultur, wie es der deutsche Notfall-Mediziner Michael de Ridder eindringlich fordert?
Dahinter steht die Frage nach dem „guten Tod“, genauer: Welches Sterben passt zu den in unserer Gesellschaft auf vielerlei Art gelingenden Lebensentwürfen? Der Tod selbst, so lehrte bereits Epikurs berühmter Brief an Menoikeus, ginge uns Lebende ja eigentlich nichts an. Wiewohl die empfohlene Übung in Gelassenheit das Problem nur verschiebt. Wir erleben zwar immer nur der anderen Tod als Hinterbliebene, doch ändert dies nichts am Faktum der eigenen Sterblichkeit und offenkundig wenig am existenziellen Unvermögen, sich damit auseinander zu setzen.
Sterben, Tod und Trauer sind zudem vielleicht die letzten echten Tabus der Moderne. Obgleich der Tod medial inszeniert in Nachrichten, Filmen und Computerspielen allgegenwärtig ist, haben gleichzeitig noch nie so viele Menschen so wenig Berührung mit Sterbenden oder einem Leichnam gehabt. Die Angst vor der eigenen Betroffenheit bewirkt eine Abwehr, die geradewegs in das Abschieben des Sterbens an unwürdige Orte führt.
Eine Kultur des Begleitens und Abschiednehmens hingegen, der sich Hospiz- und Palliative Care-Bewegung verpflichtet fühlen, stellt die Wünsche und Bedürfnisse von todkranken Menschen in das Zentrum der Bemühungen. Die medizinische Sorge um Schmerzfreiheit und Lebensqualität sowie eine ganzheitliche Fürsorge, die in gleicher Weise auf die sozialen, seelischen und spirituellen Nöte der Sterbenden eingeht, liegt in den Händen eines interdisziplinären Teams, das von ehrenamtlichen BegleiterInnen unterstützt wird. Das Erleben der Angehörigen ist in den Begleitungsprozess integriert. Dem hospizlichen Gedanken der Beherbergung sollte durch mobile Betreuungsangebote in der vertrauten Umgebung Rechnung getragen werden.
Hans-Walter Ruckenbauer
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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