Weltanschauungsarbeit heute | 05
Sehnsucht nach Heil(ung)

Foto: Neuhold
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Ein universelles Ringen.

Der Blasiussegen, ein alter kirchlicher Brauch, öffnet ein Fenster zu tieferen Fragen über Heil und Heilung. Jedes Jahr wird dieser Segen zum Schutz vor Halskrankheiten am 3. Februar gespendet. Ein Segen spricht zudem zu, dass Jesus uns auch im Leid nahe ist. Doch was steckt hinter Ritualen wie diesem?
Die Wörter Heil und Heilung, bei aller Differenzierung zentrale Begriffe von Religion und Medizin, liegen im Deutschen sehr nah beieinander. Wenngleich das nicht in allen Sprachen so ist, sind sie eng miteinander verbunden und werfen Fragen auf: Was bedeutet gutes Leben, und was trägt dazu bei? Was bedeutet Leid, und ist gutes Leben auch mit oder trotz Leid möglich? Wo sind die menschlichen Grenzen beim Eingreifen und beim Umgang mit (vermeintlichem) Leid? Diese Fragen beschäftigen Religion(en) und Medizin gleichermaßen.
Heil drückt in religiöser Bedeutung Unterschiedliches aus: Im Christentum Erlösung und das ewige Leben durch den Glauben an Jesus Christus. Im Buddhismus wird Nirvana angestrebt, ein Zustand der Befreiung von Leiden und Wiedergeburt. Im Islam ist Heil mit dem Paradies verbunden, angestrebt durch ein gerechtes Leben, und im Hinduismus wird Heil mit der Überwindung von Karma und dem damit verbundenen Beenden der Wiedergeburt erreicht. In sogenannten traditionellen Kulturen gibt es vielfältige Praktiken, die auf Naturkunde, Ritualen und spirituellen Überzeugungen basieren.
Heilung hingegen ist spezifischer und bezieht sich auf den aktiven Prozess der Wiederherstellung von Gesundheit oder zumindest der Linderung von Leiden. Dabei wird zwischen körperlicher und seelischer Heilung unterschieden, wenngleich diese miteinander in enger Verbindung stehen. Heilung kann sich zudem auch auf den zwischenmenschlichen Bereich und das Umfeld des Menschen beziehen. Biblisch gesehen führt sie zu einer „Versöhntheit“ mit allem: mit dem eigenen Körper, mit sich selbst, mit der Mitwelt, mit Gott.
Heil und Heilung sind vielschichtige Konzepte, die biologische und psychologische Aspekte, existenzielle Fragen, emotionale Bedürfnisse und spirituelle Dimensionen umfassen und universelle Aspekte berühren. Die Sehnsucht nach Heil und Heilung ist tief im Menschsein verwurzelt – unabhängig von Religiosität und Weltanschauung.
Mag.a Birgit Prochazka MA

Weiterführende Informationen finden Sie in der Zeitschrift „WAT 111 – Heil und Heilung“ (Bestellung/Download: weltanschauungsfragen.at/wat-111-heil-und-heilung).

Birgit Prochazka

ist Sozial- und Kulturanthropologin und Referentin für Weltanschauungsfragen in der Diözese Eisenstadt. 

  • Was berührt Sie bei diesem Thema?
    Der universelle Gedanke, der die Menschen bei aller Unterschiedlichkeit verbindet. Es berührt unser Menschsein in seiner Ganzheit. Eine Sehnsucht wird benannt, die vielen Menschen innewohnt.
  • Gibt es auch etwas, das Sie irritiert?
    Ja. Trotz der universellen Sehnsucht ist es so schwierig, im Alltäglichen das „gute Leben“, das, was uns „heilig“ ist, leben zu können im Umgang mit sich selbst und mit anderen. Den sozialen Aspekt hat auch die WHO in ihrer Definition aufgenommen: „Gesundheit ist der Zustand eines vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens …“
  • Welche Aufgabe sehen Sie für die Gesellschaft in diesem Zusammenhang?
    Wir sollten immer wieder hinterfragen, welche Vorstellungen wir vom „heilen Menschen“ haben und inwieweit dadurch Menschen abgewertet oder gar ausgegrenzt werden.

Referat bzw. Fachstelle für Weltanschauungsfragen
Jede Diözese verfügt über ein Referat bzw. eine Fachstelle für Weltanschauungsfragen. Sie bieten …

  • Orientierung in der Vielfalt religiöser Bewegungen und weltanschaulicher Strömungen.
  • persönliche Beratung und Hilfe für Menschen, die belastende Erfahrungen mit problematischen Gemeinschaften machen.
  • schriftliche Information zu unterschiedlichen Themenbereichen in Form von Texten, Broschüren und Lexikonartikeln sowie Materialien für die Bildungsarbeit und den Unterricht.

www.weltanschauungsfragen.at

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Birgit Prochazka ist Sozial- und Kulturanthropologin und Referentin für Weltanschauungsfragen in der Diözese Eisenstadt.  | Foto: Machtinger
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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