Nach Mariazell pilgern | Teil 04
Mariazell – Wunder des Glaubens

Das stille und zugleich große Wunder von Mariazell ist die Versöhnung, die Versöhnung mit sich, mit Gott und der Menschen untereinander. | Foto: Labner
  • Das stille und zugleich große Wunder von Mariazell ist die Versöhnung, die Versöhnung mit sich, mit Gott und der Menschen untereinander.
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Seit 850 Jahren wird in Mariazell das Evangelium verkündet, und die Menschen nehmen dieses gute Wort mit hinein in den Pilgerweg ihres Lebens. Seit Jahrhunderten wird hier mehrmals am Tag die hl. Messe gefeiert, und die Wallfahrer erahnen und vertrauen, dass die Einheit mit Christus im eucharistischen Brot ihr Leben verwandeln und ihm Gestalt geben kann. Hier wird geweint und gelacht, Tränen der Hoffnung, der Sehnsucht und der Bedrückung lassen erahnen, dass die Menschen einfach erfahren dürfen: Hier sind alle ganz nahe bei Maria, bei ihrem Sohn Jesus Christus, beim allmächtigen und barmherzigen Vater; hier bist du angenommen ohne Wenn und Aber! Das ist auch das eigentliche Wunder eines Gnadenortes, an dem die Menschen offen sind für die göttliche Transzendenz und spüren, dass Himmel und Erde einander berühren.

Diese Erfahrung kann nicht erkauft und inszeniert werden. Sie ist meist Frucht eines langen Weges, einer Zeit der Vorbereitung und Reduktion auf das Wesentliche, eines Zurücklassens der kleinen Sorgen des Alltags und eines Sich-Öffnens auf Gott hin. Gerade das geschieht, wenn Menschen pilgern, gleichsam „mit den Füßen beten“ und mit jedem Schritt mehr die Normalität verlassen und einschwingen in den Rhythmus des Gebets. Und Maria­zell ist ein Ort, der – aufgrund der Abgelegenheit in den Bergen und der Schönheit der die Stadt umgebenden Schöpfung – gerade heute von sehr vielen Fuß- und Radwallfahrern aufgesucht wird. Viele von ihnen waren schon als Jugendliche oder Studenten da und kommen jetzt als Berufstätige während ihres Urlaubs.

Das stille und zugleich große Wunder von Mariazell ist die Versöhnung. Zuerst die Versöhnung mit Gott: Sehr viele Menschen empfangen hier das Bußsakrament. Damit gestehen sie sich ein, dass das Leben nicht nur durch Machbarkeit, Tüchtigkeit, durch Organisationstalent und Verdienst bestimmt wird. Es muss von Gott her gesehen und auf ihn hin entworfen und verwirklicht werden. Dieser Gott wirft nicht mit Steinen, sondern lädt uns ein, seine Barmherzigkeit uns schenken zu lassen. Er mutet uns immer wieder einen Neubeginn zu. Dass Mariazell immer noch der „Beichtstuhl Österreichs“ ist, bedeutet gerade heute, bei all den komplexen Lebensentwürfen der Menschen, mit dieser großen Verantwortung behutsam umzugehen.

1952 hat der spätere Kardinal Franz König hier eigentlich „nebenbei“ die Aussöhnung zwischen Kirche, Staat und politischen Parteien in die Wege geleitet. Diese Aussöhnung ist mit dem Begriff „Mariazeller Manifest“ verbunden. 1983, beim Besuch von Papst Johannes Paul II., konnten nur wenige Pilger aus den ehemaligen Ostblockländern über die trennenden und menschenverachtenden Mauern kommen. 1990 waren es mehr als 20.000, die nach Jahrzehnten der Unterbrechung wieder nach Mariazell kommen durften und mit Tränen in den Augen Dank sagten, und 2004 bei der „Wallfahrt der Völker“ waren es an die 100.000. Wer mit Gott versöhnt ist, muss die versöhnungsstiftende Aufgabe auch in der Gesellschaft umsetzen. Und so wird die Kirche auch morgen Salz und Licht in unserer Gesellschaft sein, gerade in einer Gesellschaft, die oft meint, man könne beliebig mit Gott umgehen.

Hier in Mariazell hat sich im Laufe der Jahre viel verändert. Zur Ehre Gottes und als Ausdruck ihrer Kreativität und der Sehnsucht nach dem Schönen haben Künstler, Baumeister und Architekten viel geschaffen, und dank der Hilfe vieler wurde dieses Gotteshaus zur Freude der Menschen in den letzten fünfzehn Jahren restauriert. Aber immer kommt der pilgernde Mensch zuerst an bei dieser unscheinbaren Frau, bei Maria, die hier in Mariazell deutlich auf Jesus Christus hinweist, auf ihn, der das Fundament und das Ziel unserer Wege ist. Diese Gnadenstatue ist so klein, dass sie eigentlich übersehen werden könnte, man wird hier vergeblich nach spektakulären Wunder-Ereignissen suchen, und doch geschieht tagtäglich und nahezu unspektakulär das eigentliche Wunder des Glaubens, wenn Maria uns ermutigt: „Was er euch sagt, das tut!“

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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