Nach Mariazell pilgern | Teil 03
Mariazell – Heimat für viele
Sehr bald nach der Gründung 1157 ist Mariazell ein Zufluchtsort geworden für Menschen, Pilger aus Österreich, Ungarn, Böhmen und Mähren, so wird es bereits aus dem 13. Jahrhundert berichtet. In dieser Zeit stiftete Markgraf Heinrich aus Mähren die romanische Kapelle. Rund 150 Jahre später lässt der ungarische König Ludwig die Kirche durch eine gotische Kapelle erweitern.
Unter den Votivbildern in der Basilika finden sich die ältesten Stadtansichten von Brünn, von Bratislava und von vielen ungarischen Orten sowie zahlreiche Inschriften in ungarischer, tschechischer, slowakischer, polnischer, kroatischer und slowenischer Sprache.
Diese Sprachen waren an diesem Ort niemals Fremdsprachen und sie sind so selbstverständlich, mehr als es je zuvor in der Geschichte möglich war. Besonders deutlich wurde das bei der großen Dankwallfahrt 1990 nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“, zu der rund 20.000 Gläubige aus dem ehemaligen Ostblock kamen. Unvergessen bleibt die größte Wallfahrt, die Mariazell je erlebt hat: der Mitteleuropäische Katholikentag und die „Wallfahrt der Völker“ am 22. Mai 2004. Wenige Tage nach der Erweiterung der Europäischen Union pilgerten an die 100.000 Gläubige nach Mariazell und machten damit deutlich, dass Europa eine lebendige christliche Seele hat und dass die Christen bereit sind, am „Bauplatz Europa“ mitzuarbeiten. Hier ist erlebbar, dass der gemeinsame Glaube Grenzen und Sprachen überwindet und dass (auch europäische) Einheit in Vielfalt möglich ist.
Ja, Mariazell ist sehr vielen Menschen Heimat, ein Zuhause. In vergangenen Jahrhunderten entsprach es manchmal einem Lebenswunsch, wenigstens einmal nach Mariazell kommen zu dürfen. Das hat sich geändert. Heute ist Mariazell ein Lebensbuch aller Alters- und Berufsgruppen und aller Bildungsschichten. Wallfahrt scheint längst nicht mehr die Sprache nur der sogenannten „einfachen Leute“ zu sein. Alle Facetten unseres Menschseins sind hier anzutreffen: Orientierungslose und Findende, Roma, Heimatvertriebene und Heimatsuchende, Christen aus unseren Schwesterkirchen und Andersgläubige. Menschen, die sich von der Kirche entfernt haben oder meinen, dass sie an den Rand der Kirche gerückt wurden, finden hier Heimat. Vertreter verschiedener Gruppierungen, politischer Lager und Wirtschaftsbereiche wissen sich hier zuhause, wie auch die tatkräftige finanzielle Unterstützung für das überdimensionale Restaurierungswerk beeindruckend beweist. Kinder und junge Menschen, Alte, vom Leben durchfurcht, und Leidende, vom Schmerz geschändet. Lachende und Weinende, Arbeitssuchende, Arme und Reiche, Menschen aus allen Schichten unserer bunten Gesellschaft – in Mariazell sind sie daheim.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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