Die Bergpredigt | Teil 4
Lebendiges Beziehungsgeschehen

Israel, Pater-Noster-Kirche | Foto: Schecher
2Bilder

Vom Herzstück der Bergpredigt und wie Jesus vom Beten, Fasten und Gute-Werke-Tun spricht.

Wenn in wenigen Wochen die 40-tägige Vorbereitungszeit für das Osterfest beginnt, wird gerne von einer „Fasten-Zeit“ gesprochen, in der zeitlich begrenzt auf Verschiedenes verzichtet wird. Die christliche Tradition öffnet allerdings einen viel weiteren Horizont; eine besonders intensive Zeit gelebten Glaubens zeichnet sich nicht nur durch negativ formulierten Verzicht, sondern durch das Tun des Guten aus: Fasten, Gebet, Almosen – in diesen drei Grundkategorien wird das eigene Leben in das Beziehungsgeschehen mit Gott und den Menschen eingebettet.

Die biblischen Wurzeln dieser Haltungen reichen bis in die Prophetenschriften des Alten Testaments zurück; doch auch für Jesus haben sie Bedeutung. So wird das Dreiergespann aus guten Werken, Beten und Fasten in der Bergpredigt nicht nur einfach aufgegriffen, Matthäus setzt es bewusst in die Mitte dieses Haupttextes seines Evangeliums. Die Botschaft dahinter ist klar: Dort, wo die Rede Jesu für Menschen neue Perspektiven eröffnet, hat das Auswirkungen auf das konkrete Miteinander.

Äußere Handlung und innere Haltung werden dabei verbunden, eine Tat ist immer gemeinsam mit der dahinterliegenden Motivation zu sehen. Wer etwa die akute Not von Armen lindert, soll das nicht zur eigenen Imagekampagne nutzen, sondern dem am Rande Stehenden auf gleicher Augenhöhe begegnen; so wird er nicht Mittel zum Zweck, sondern kann seine Würde wahren (Mt 6,1–4). Dasselbe trifft auf das Fasten zu: Wer seinen Verzicht zur Schau stellt, um vor anderen als besonders fromm dazustehen, wird dem eigentlichen Sinn des Fastens – Solidarität mit Hungernden und Unabhängigkeit von materiellen Bedürfnissen – nicht gerecht (Mt 6,16–18).

„Wer die aktue Not von Armen lindert, soll das nicht zur eigenen Imagekampagne nutzen.“

Zwischen diesen beiden Elementen bettet Matthäus das Herzstück der Bergpredigt ein: das Gebet (Mt 6,5–15). Auch hier schiebt Jesus einem rein äußerlichen Verzwecken zum Ziel einer guten Außenwirkung den Riegel vor. Gebet soll zum einen der Gottesbeziehung dienen, und dafür reicht die Abgeschiedenheit der eigenen vier Wände. Zum anderen geht es auch im Gebet um Solidarität und menschliche Gemeinschaft; nirgendwo wird die Verknüpfung beider Beziehungs-Dimensionen so deutlich greifbar wie im Vaterunser. Sichtbar wird das zunächst in der Formulierung: Dreimal wird Gott mit „du“ angesprochen, und ganze neunmal ist von „wir“ die Rede. Dazu zeigt der Inhalt der Bitten, dass der Weg Jesu nicht der individuellen Wunscherfüllung dient, sondern das gemeinschaftliche Auskommen in den Fokus rückt. „Vergib uns unsere Schuld, so wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben!“ (Mt 6,12)

Wer diese Passage aufmerksam in der Form liest, die Matthäus überliefert, bemerkt an der Zeitenfolge etwas Besonderes: den Wechsel in die Vergangenheitsform. Der Mensch, der diesen Satz betet, hat bereits selbst das getan, was er von Gott erbittet: Er hat Schuld vergeben. In der Spur Jesu unterwegs zu sein ist also untrennbar damit verbunden, Beziehung zu gestalten – und zu leben.

Israel, Pater-Noster-Kirche | Foto: Schecher
Reinhard Stiksel ist Theologe, Religions-pädagoge und Mitherausgeber von „Neues Testament. Übertragen in die Sprache unserer Zeit“. Seit 2022 leitet er das Bibelwerk Linz. | Foto: privat
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ