Heute von Gott erzählen | Teil 6
Jesus als Bild Gottes

„Denn darin besteht die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln“ (2 Johannes 6a). | Foto: Grafik: Ivan Steiger
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  • „Denn darin besteht die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln“ (2 Johannes 6a).
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Der christliche Gott offenbart sich im Handeln Jesu.

An zwei Beispielen soll gezeigt werden, dass Gott sich nach christlicher Auffassung nicht nur in der Predigt, sondern auch im Handeln Jesu offenbart.

Gott dient wie ein Sklave
Den innersten Sinn des Wirkens Jesu bis zur Hingabe seines Lebens fasst der Evangelist Johannes in der Erzählung vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern zusammen. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf etwas, was aufs Erste nur befremden kann.

„Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung … [Er] stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war“ (Joh 13,1.4–5).

Mitten in der Verwirrung einer dramatisch zugespitzten Situation eine ebenso einfache wie eindrückliche Geste: Jesus wäscht den Seinen die Füße. In seiner göttlichen Hoheit, die der Text am Beginn deutlich betont, bückt er sich nieder zum Dienst eines Sklaven. So deckt er auf und fasst zusammen, was der Sinn seines ganzen Wirkens und seines Todes ist: die Offenbarung eines Gottes, der in dienender Liebe bis zum Äußersten geht.

Ein Gott in der Gottferne
Wenn aber tatsächlich gilt, dass Jesus die Offenbarung Gottes in Person ist – was bedeutet dann sein Tod am Kreuz? Die ersten drei Evangelisten schildern die Hinrichtung Jesu vor allem als historisches Ereignis. So Matthäus:
„Von der sechsten Stunde an war Finsternis über dem ganzen Land bis zur neunten Stunde. Um
die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? … Dann hauchte er den Geist aus“ (Mt 27,45–46.50b).

In der westlichen Christenheit wurde das Kreuz Jesu über Jahrhunderte vor allem unter der Perspektive des Sühnetodes gesehen, der nicht selten einen bedrückenden Schatten auf das Bild von Gott geworfen hat: Wie kann Gott ein solches Opfer fordern? Im 20. Jahrhundert hat sich der Blick auf das Kreuz verändert. Mehr und mehr tritt das Bild eines Gottes in den Vordergrund, der in seiner Liebe uns Menschen nachgeht, wie der Hirt dem verlorenen Schaf. In Jesus geht er dabei bis zum Äußersten – bis in die Erfahrung der Gottferne. Das Kreuz wird zur dramatischen Offenbarung der Liebe Gottes – so wie es bereits der Evangelist Johannes gesehen hat: die Stunde, in der die Herrlichkeit Gottes, seiner Liebe aufleuchtet.

Der Gott des christlichen Glauben

In der christlichen Tradition gibt es nicht nur eine allein auf die Vernunft gestützte Überzeugung von der Existenz Gottes, sondern auch
ein Wissen und Sprechen über ihn, das sich
auf die Geschichte des Glaubens stützt.
Wenn einmal die Möglichkeit des Glaubens an Gott auf philosophischem Weg aufgewiesen ist, dann kann der christliche Gottesglaube als eine mögliche Konkretisierung verstanden werden. Diese Konkretisierung ergibt sich nicht zwingend, sondern ist eine Möglichkeit, die durch die christliche Überlieferung mit ihren vielen Stimmen eröffnet wird.

Dass nicht alles und jedes, was in seiner zwei-tausendjährigen Geschichte formuliert worden ist, gleich bedeutend, beachtenswert oder aktuell ist, versteht sich von selbst.
Ebenso wird man nicht bestreiten, dass die christliche Gotteslehre schon in der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testamentes und in der darauf aufbauenden Geschichte des Glaubens einen Prozess der Entwicklung durchlaufen hat. Und zugleich wird man zeigen können, dass sie sich in ihren wesentlichen Konturen treu geblieben ist.

Das christliche Gottesbild ergibt sich aus einem Zusammenspiel von Erfahrungen, die als Offenbarungen Gottes verstanden werden, und aus unabweisbaren Einsichten der Vernunft.
Die Einsichten der Vernunft stellen das Fundament, den Rahmen und die Maßstäbe bereit, die es möglich machen, Aussagen der Religion über Gott angemessen zu verstehen, auch wenn sie mehr sagen, als mit der Vernunft allein erkannt werden kann.

„Denn darin besteht die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln“ (2 Johannes 6a). | Foto: Grafik: Ivan Steiger
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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