Wege entstehen im Gehen | Teil 01
Inzwischen hab ich auch das Bellen erlernt

Eine kurze Pause im Gespräch: Joanel Krawanja hilft einem jungen Burschen am Computer, der hier im Schulungsraum in der Mariengasse in Graz den PC nutzt.

Vom Buddyprojekt der Caritas ist sie sehr überzeugt: „Ich finde total spannend, was hier passiert.“ Buddys sind Menschen, die Migranten ehrenamtlich dabei helfen, Kontakte mit Inländern zu knüpfen. Joanel Krawanja war von der Idee gleich beeindruckt: „Ich hab gedacht, das ist einmal etwas ganz anderes, ein Kennenlernen ohne Verpflichtungen.“ Wobei es nicht unbedingt um Sprache-Lernen geht, sondern darum, zu vermitteln, wie die Kultur funktioniert, wie man sich im Alltag orientiert. „Manchmal sind das ganz kleine Dinge, wie etwa sich an die Verkehrszeichen in Österreich zu gewöhnen. Ein Bike-Buddy für Frauen hilft dabei, sattelfest durch den Verkehr zu kommen.“

Joanel Krawanja selbst stammt aus Nicaragua und kam mit sechs Jahren nach Österreich. „Zwei Monate bevor ich mit der Volksschule begann“, erinnert sie sich. Das war erst einmal ein Schock. „Es ist eine komplett andere Kultur, was am Anfang schwer war. Doch es lief eigentlich ganz gut.“ Schließlich stimme etwas, was viele Menschen erlebt haben: „Kinder brauchen oft keine Sprache.“

Mit einigen Umzügen innerhalb der Steiermark verbesserte sie ihre Sprache, und „mittlerweile belle ich auch“, erzählt die 20-jährige Studentin der Bildungs- und Erziehungswissenschaft (früher Pädagogik) mit einem Schmunzeln. Sie ist im fünften Semester und will sich nun auf den Bachelor konzentrieren.

Hinter sich gelassen hat sie ihren erlernten Beruf, nämlich Restaurantfachkraft. Schon nach der Ausbildung dachte sie sich, „die Gastronomie ist nicht das, was ich will. Ich bin nicht der Typ dafür.“ Doch es ist schwer, nur zwecks Weiterbildung auszubrechen. Dazu kam ein anderer Grund, „das rechte Handgelenk hat Probleme gemacht, ein typisches Kellnerleiden.“ Also stellte sich die Frage: Wohin möchtest du jetzt? Was kann ich gut? „Und ich dachte mir, ich nütze die Zeit, etwas Neues zu probieren.“ Zuerst galt es einmal die Studienberechtigungsprüfung zu absolvieren, aber dann merkte sie schon, dass es die passende Richtung war.

Was im Buddy-Projekt passiert, sei nicht einseitig: „Ich lerne auch von Menschen, denen ich hier begegne, ich gewinne sehr viel.“ Oftmals seien Medienberichte über Migrantinnen und Migranten negativ behaftet, über jene, die sich erfolgreich integrieren, werde kaum berichtet. „Deshalb wollte ich mir selbst ein Bild machen und sehen, ob diese Vorwürfe gerechtfertigt sind. Projekte wie Buddys tragen dazu bei, dass negative Vorwürfe überdacht werden können.“ Die umtriebige Studentin arbeitet neben dem Studium auch als Schulassistentin und hilft dort Kindern, die Schwierigkeiten beim Lernen haben. Für die Zeit nach dem Bachelor ist momentan noch nichts fix. Neben Psychologie wäre der Studienlehrgang Erwachsenenbildung reizvoll, denn in diesem Bereich will Joanel sich spezialisieren.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ