Ich mit mir. Fastenserie mit Melanie Wolfers | 07
Hoffnung verändert die Gegenwart

„Wer freier wird von der Angst um sein eigenes Ich, in dessen Inneren kann die Sorge erwachen für jene, die am Rand stehen.“ | Foto: Jenny Sturm
  • „Wer freier wird von der Angst um sein eigenes Ich, in dessen Inneren kann die Sorge erwachen für jene, die am Rand stehen.“
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Das Kaninchen eines Kindes wurde in der Nacht von einem Marder getötet, und das Mädchen weinte bitterlich. Als es mit seiner Mutter das Tier beerdigte, betete es: „Lieber Gott, jetzt musst du auf mein Kaninchen aufpassen.“ Und mit dem Fuß auf den Boden stampfend fuhr es fort: „Und wenn du nicht gut für mein Stubsi sorgst, bring’ ich dich um!“ Die Mutter, eine Bekannte von mir, fragte irritiert: „Musst du so sprechen?“ und bekam die Antwort: „Ich will einfach nur sichergehen!“

Vielleicht lächeln manche über diese Reaktion oder denken peinlich berührt: „So spricht man doch nicht mit Gott.“ Doch mir scheint, dass sich in dem Kind eine ganz ursprüngliche menschliche Regung die Bahn bricht: der Wunsch, dass das geliebte Tier nicht einfach zerrissen und tot ist, sondern lebt. Das Kind „weiß“ intuitiv, dass nicht das Fressen- und Gefressen-Werden das letzte Wort behalten dürfen. Es hört auf den fraglosen Anspruch der Liebe: „Du sollt leben! Du sollst es gut haben!“ – Dass dieser Anspruch der Liebe kein hohles Versprechen ist, sondern eingelöst wird, das feiern wir zu Ostern.

Gottes Freundschaft

Jesus steht mit Haut und Haar dafür ein, dass jeder Mensch immer schon in einer Liebe zu Hause ist, die ihn umgibt und die ihn von innen her durchströmt. Sein großes Anliegen ist zu zeigen: „Vor aller Leistung und trotz aller Schuld ist dir eine bedingungslose und unbegrenzte Freundschaft geschenkt.“ Jesus lässt insbesondere jene ihre ursprüngliche Würde wieder spüren, die als unrein, ausgestoßen und sündig gelten. Er behandelt sie wie „Königskinder“, die unendlich wertvoll sind.

Weil solch grenzenlose Güte den reli­giösen und politischen Führern zu weit geht, wird Jesus hingerichtet. Doch seine Hoffnung behält recht: Gottes Liebe kann den Tod nicht leiden! Mit der Auferweckung Jesu wird ein für alle Mal glaubhaft: Leben und Liebe, Freundschaft und Verbundenheit haben das letzte Wort über unsere Geschichte.

Wir Menschen leben davon, dass uns mehr Freundschaft und Zuwendung geschenkt wird, als wir verdienen. Einer Freundschaft kann man nur Glauben schenken. Jeder eingeforderte Beweis würde ihre Mitte zerstören: das schöne Wagnis, jemandem zu vertrauen. Sich auf jemanden zu verlassen.

An Gott glauben meint, ihm seine uneingeschränkte Freundschaft zu glauben. Das lateinische Wort für „glauben“ heißt „credere“. Es leitet sich ab von „cor dare“, das Herz schenken. Je mehr ich mich auf die leise Gegenwart Gottes verlasse, umso mehr kann ich seine Verlässlichkeit erfahren.

Je mehr ich dem göttlichen Ja zu trauen lerne, umso mehr kann ein tragfähiges Ja zu mir selbst heranreifen.

Je mehr ich auf die göttliche Freundschaft baue, umso mehr kann sich die Freundschaft mit mir selbst vertiefen. Ich werde freier von der Angst um das eigene Ich. Also von jener Angst, die einen so schnell in Selbstoptimierung oder rücksichtslose Ichbezogenheit, in Aggression oder maßlose Besitzgier hineinmanövriert. Und allein eine solch selbstvergessene Haltung gibt der Solidarität eine echte Chance!

Aug’ in Aug’ mit dem anderen

Wir leben in Zeiten einer geradezu verbissenen Glückssuche im Privaten. Der Trend, sich ins Persönliche zurückzuziehen, nimmt zu, und die Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen gesellschaftlichen Verantwortung wächst. Wer freier wird von der Angst um sein eigenes Ich, in dessen Inneren kann die Sorge erwachen für jene, die am Rand stehen. Wer sich berührbar macht, dem kann die fürchterliche Not von Menschen unter die Haut gehen. Wer nicht mehr alle Hände voll damit zu tun hat, für sich selbst zu kämpfen, der oder die kriegt die Hände frei für andere.

In uns Menschen wohnt ein innerer Drang, nicht an sich selbst kleben zu bleiben und das eigene Ich nicht zum Mittelpunkt des eigenen Lebens zu stilisieren. Denn eine solche ichbezogene Haltung wird auf Dauer eine ziemlich einsame Angelegenheit und darüber hinaus sterbenslangweilig. Vielmehr wohnt im Herzen eines jeden Menschen die Sehnsucht, sich für andere und anderes zu öffnen.

Wer sich selbst aus den Augen verliert, weil er ganz bei einer Sache oder einem Menschen ist, den durchströmt ein tiefes Glück. Und wer sich einmal unsterblich verliebt hat, der oder die hat die „Deadline“ des Todes schon überschritten.

Die österliche Hoffnung stellt keine Jenseitsvertröstung dar, wie es leider oft missverstanden wurde. Im Gegenteil: Diese Hoffnung verändert die Gegenwart. Sie kann und soll mich jetzt in meinem Handeln leiten.

Jesus sagt klipp und klar, worauf es letzten Endes ankommt: Der Mensch wird nicht gefragt, welche Glaubenssätze er im Kopf, sondern ob er für andere ein Herz hatte.

Wer sich von der Not eines Bedürftigen hat anrühren lassen, ist Christus selbst begegnet:

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan“ (vgl. Mt 25,40).

Gott selbst bürgt dafür: Alles, was aus Achtung geschieht, trägt die Spuren einer Zukunft in sich, die nicht mehr vergeht.

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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