Schöpfung im Klimawandel | Teil 9
„Fruchtbare Böden nicht zerstören“
In einer mehrteiligen Serie widmet sich das SONNTAGSBLATT den brennenden
Fragen der Schöpfungsverantwortung angesichts des Klimawandels und der Erderwärmung.
VON Markus A. Langer
In der letzten Folge unserer Serie zum Klimawandel erklärt Bodenbiologin Sophie Zechmeister-Boltenstern, wie Mikroorganismen im Boden auf Veränderungen von Temperatur und Niederschlag reagieren. Sie appelliert, darauf zu achten, dass fruchtbare Böden nicht weiter zubetoniert werden oder durch Erosion verloren gehen.
Welchen Einfluss hat das Klima auf den Boden und die Bodenbildung?
Sophie Zechmeister-Boltenstern: Einen sehr starken! Welcher Boden sich wo bildet, ist abhängig vom Ausgangsgestein und vom Klima. Ein Beispiel: An der schwedischen Westküste gibt es riesige Granitblöcke aus der letzten Eiszeit. Diese sind vom Gletschereis abgeschliffen worden, und da gibt es teilweise noch gar keine Bodenbildung, weil das Klima sehr rau ist und starke Winde darüberfahren. Der Boden bildet sich nur in den Spalten und Ritzen. Wir haben in den Tropen andere Böden als im Norden. Die höchste organische Substanz und den höchsten Kohlenstoffgehalt findet man in nördlichen Böden, in der Taiga und in der Tundra. Moore speichern auch sehr viel organische Substanz.
Ertragreichste Böden: Sie erstrecken sich vom Salzburger Flachgau über das Oberösterreichische Alpenvorland mit einem weiteren Schwerpunkt im Weinviertel und dem Nordburgenland. Verstreute, aber flächenmäßig maßgebliche hochwertige Standorte finden sich auch im Südburgenland zur Ungarischen Tiefebene hin, um Bad Radkersburg, im Leibnitzer Feld und im Bodenseeraum.
Was überhaupt nicht im Bewusstsein der meisten Menschen und auch vieler Wissenschaftler ist, ist die Tatsache, dass der jährliche Kohlendioxid-Austausch zwischen Boden und Atmosphäre 15-mal größer ist als das, was wir durch fossile Brennstoffe in die Atmosphäre schicken. Das ist ein ganz empfindliches Gleichgewicht. Wenn dieses gestört ist, kann sehr viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt werden. Das Hinsteuern auf bestimmte Klimaziele hat den Sinn, dass damit bestimmte Kipppunkte im System nicht erreicht werden, sodass das bisher aus der Luft festgehaltene CO2 nicht plötzlich zusätzlich in die Atmosphäre abgegeben wird, wenn zum Beispiel gefrorene Böden in der Tundra auftauen.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Boden aus?
Zwei Faktoren spielen vor allem eine Rolle: Temperatur und Niederschlag. Wenn es wärmer wird, fangen die Mikroorganismen im Boden an, stärker zu arbeiten. Sie atmen stärker und stoßen mehr CO2 aus. Das vermehrt ausgestoßene CO2 muss quasi über die Pflanzen wieder aufgenommen werden, damit das Gleichgewicht gewahrt ist. Wir haben vor 15 Jahren einen großen Versuch in einem Tiroler Bergwald gestartet: Wir haben so etwas wie eine Fußbodenheizung in den Boden eingegraben. Anschließend haben wir die Temperatur um vier Grad erhöht und dann geschaut, wie sich die CO2-Emissionen im Vergleich zum normalen Boden verändern. Diese haben sich fast verdoppelt, immer, wenn es wärmer ist und gleich feucht bleibt.
Im Osten von Österreich haben wir die Situation, dass es wärmer wird und es gleichzeitig aber lange Trockenperioden gibt. In einem Versuch haben wir untersucht, wie sich längere Dürreperioden auf die Treib-
hausgasbilanz der Böden auswirken. Wenn es lange sehr trocken ist, hebt sich dieser Effekt auf, dass die Mikroorganismen stärker arbeiten. Sie legen sich quasi zur Ruhe. Mit Feuchtigkeit durch z. B. Starkregenereignisse kommt es zu einem Schub von Aktivität der Mikroorganismen, und sehr viel an CO2 wird in die Luft geblasen.
Welche Auswirkungen gibt es für Böden, die unterschiedlich genutzt werden?
Unser Hauptaugenmerk in der derzeitigen Forschung liegt darin, wie man den Humusgehalt der Ackerböden erhöhen kann. Da gibt es verschiedenste Maßnahmen, wie zum Beispiel Begrünungen oder dass man Kompost beziehungsweise Biokohle einbringt. Ganz im Trend liegt heute, dass man den Boden weniger bearbeitet. Jedes Mal, wenn man den Boden pflügt, dann kehrt man das Unterste zuoberst. Dadurch wird in den oberen Bodenhorizonten, wo die meiste organische Substanz ist, belüftet, alles wird zerhackt, die ganzen Pilzfäden und die Regenwurmgänge werden zerstört, und dadurch wird sehr viel CO2 in die Luft freigesetzt. Österreich gilt schon ein bisschen als ein Vorzugsschüler, weil wir schon in den 1990er-Jahren begonnen haben, den Humusgehalt wieder zu erhöhen. Von den 1960er- bis zu den 1990er-Jahren ist dieser gesunken, aber danach haben sich die Böden wieder erholt, und der Humusgehalt ist wieder auf ein relativ gutes Niveau gekommen.
Wenn wir jetzt Ackerböden in Grünland umwandelten, würde man dadurch schon CO2 aus der Luft einfangen, weil die Grünlandböden sehr dicht durchwurzelt und viel belebter als die Ackerböden sind. Im alpinen Raum Österreichs gibt es sehr viel Viehhaltung, und die dadurch entstehende Gülle wird verstärkt auf das Grünland ausgebracht. Das kann zu Umweltproblemen führen, da Nitrat ausgewaschen und Ammoniak oder Lachgas ausgegast werden. Eine Studie mit regionalen Schwerpunkten in ganz Österreich hat ergeben, dass die höchsten Lachgas-Emissionen in Vorarlberg vorkommen. Dort finden wir schwere, tonhaltige Böden, es gibt sehr viel Niederschlag, und es wird sehr viel gedüngt. Das sind die idealen Voraussetzungen für Lachgasbildung. Lachgas ist ein um 300-mal stärker wirksames Treibhausgas als CO2.
11,3 Hektar produktiver Böden werden pro Tag in Österreich verbraucht – die Hälfte davon versiegelt.
Wo gibt es in Österreich die besten Böden, und wodurch sind sie gefährdet?
Die fruchtbarsten Böden sind bei uns in Österreich in den Tälern und im Alpenvorland zu finden. Dort haben sich die Menschen niedergelassen. Das sind auch die Böden, die am meisten gefährdet sind oder schon durch Besiedelung zerstört wurden. Im Bodenverbrauch und in der Bodenversiegelung sind die Österreicher Europameister. Leider wurde die österreichische Bodenstrategie jetzt wieder auf die lange Bank geschoben. Wir kämpfen seit Jahren dafür, dass der Verbrauch eingeschränkt wird und dass man vor allem auch schaut, welche Böden zerstört werden.
Bevor wir jetzt anfangen, Humus anzureichern, müssen wir eigentlich wirklich darauf schauen, dass Böden nicht zerstört werden und dass Böden nicht durch Erosion verloren gehen. Bodenerosion ist aufgrund heftiger Gewitter und Niederschläge, die immer häufiger vorkommen, ein riesiges Thema. Jedes Mal, wenn so ein Gewitter auf einen ungeschützten, nicht bepflanzten Boden niederkommt, geht sehr viel Boden den Bach runter, wie man so sagt. Organische Substanz und damit gebundenes CO2 gehen damit verloren.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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