Adventserie Zuversicht | Interview
Freude stärkt die Kraft der Zuversicht
Ob gesellschaftliche Herausforderungen oder persönliche Not: Wenn der Lebensmut unter Sorgen erstickt, fehlt uns Menschen oft die Hoffnung, Krisen bewältigen zu können. Die Ordensfrau und Bestsellerautorin Melanie Wolfers erläutert, wie wir die Zuversicht als innere Kraft in uns wieder entfachen können. Sie spricht über ihr neues Buch „Zuversicht – Die Kraft, die an das Morgen glaubt“ und gibt damit auch einen Vorgeschmack auf ihre Adventserie, die im Sonntagsblatt vom 28. November startet.
Kommt auch Ihnen manchmal die Zuversicht abhanden?
Natürlich. Ich bin nicht immer zuversichtlich. Ich denke, es gehört zum Leben, dass es uns manchmal Beinhartes zumutet, wo wir weder ein noch aus wissen. Das erfahren alle Menschen – auch Glaubende. Wir brauchen nur einen Blick in die Bibel werfen – selbst von Jesus wird erzählt, dass er weinend vor Jerusalem steht und sagt, warum verweigert ihr euch dem, was euch Heil bringt?
Oder denken wir an seinen letzten Schrei am Kreuz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Ich glaube, Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht sind Elemente auch eines christlichen Lebens.
Und wie gelingt es Ihnen, in schwierigen Zeiten zuversichtlich zu sein?
Es gibt im Ordensleben eine Prioritätenliste, die ich hilfreich finde, auch wenn sie banal klingt: Sorge für genug Schlaf, sorge für genügend Bewegung und ausgewogene Ernährung, nimm dir Zeit für Gebet und für deine Beziehungen, und geh deiner Arbeit nach. Das heißt nicht, dass man mehr Stunden täglich beten als arbeiten soll, aber Schlaf, Bewegung oder Gebet kommen in unserem Alltag schnell unter die Räder, und die Arbeit drängt sich sowieso immer von selbst nach vorne. Diese Prioritäten sind ein großes, doch schwer zu berücksichtigendes Weisheitswissen, das wertvoll ist, um ein menschlich und auch ein spirituell gesundes Leben zu führen. Ein guter Lebensrhythmus stärkt unsere seelische Kraft und damit unsere Fähigkeit zur Zuversicht.
Wie finden Sie abseits der Gebetszeiten ganz praktisch Ihren Lebensrhythmus?
Wie viele andere Menschen bin auch ich mitten in der Rushhour des Lebens mit einer Überfülle an Terminen und Anfragen. Für mich ist deshalb ganz wichtig, dass ich mir regelmäßig ein stilles Wochenende nehme, wo ich allein bin, ohne Medien – um zu beten und um ganz bewusst aus einem gewissen Abstand heraus auf mein Leben zu schauen und Bilanz zu ziehen, ob mein Leben so passt oder ob es ein Gegensteuern braucht.
Wenn man in einem Gedankenkarussell von Ängsten steckt, wie kann man da gegensteuern?
Bei Furcht und Sorgen sind wir innerlich auf die Zukunft ausgerichtet und befürchten etwas, das künftig eintritt. Um sich aus dem Gedankenkarussell zu befreien, hilft immer: in die Gegenwart kommen. Bewährte Mittel sind, sich zu bewegen, eine halbe Stunde flott zu gehen. Oder zu gärtnern, zu backen, an der Hobelbank zu werken. Eine wichtige Quelle von Zuversicht ist die Natur, denn in ihr kann man wieder spüren, was es heißt, lebendig zu sein.
Was hilft Ihnen, sich lebendig zu fühlen?
In der Natur zu sein, Sport zu machen.
Mir hilft auch Musik oder ein qualitätsvolles Gespräch, wo ich meine Sorgen darlegen kann. Und ich liebe es, mit Menschen zu lachen. Humor ist eine wichtige Komponente, die meine Zuversicht fördert.
Wenn wir in der Krise sind, dann entwickeln wir oft einen Tunnelblick und fokussieren uns auf das Problem. Zuversicht ist eine innere Haltung, die einen Perspektivenwechsel ermöglicht. Humor ebenfalls.
Wenn man die komische Seite entdeckt, dann ist man nicht mehr nur auf das Negative fixiert. Beim Lachen tritt ein Freiraum auf, der uns für einen kurzen Moment aus dem Dunkel des Tunnels herausholt.
Da spürt man plötzlich Leichtigkeit, lässt die Sorgen los, gibt die Kontrolle ab …
Genau. Ein Witz hellt die Stimmung auf und lässt uns die drückende Last vorübergehend vergessen. Lachen und Freude stärken unsere Seele und unsere Zuversicht. Freude ist die mächtigste Widersacherin von Angst und Ohnmacht.
Ja, das ist eine schöne Stelle in Ihrem neuen Buch: „Wenn Sie der Freude erlauben, dass sie das Herz weitet, stärken Sie Ihre Fähigkeit, mit den kleinen und großen Widrigkeiten
umzugehen. Sie kultivieren die Kraft der Hoffnung.“ Aber wie konkret?
Ein entscheidender Schritt ist, nichts als selbstverständlich zu nehmen! Dass ein guter Freund mir auch morgen noch seine Freundschaft schenkt, ist nicht selbstverständlich. Es ist immer ein freies Geschenk. Ebenso die Ehe oder eine Partnerschaft, in der es gelingt, gut miteinander zu leben. Oder dass ich schmerzfrei schlafe, dass ich genug zu essen und ein sicheres Dach über dem Kopf habe – all das ist nicht selbstverständlich. Viele Menschen ringen darum. Im Alltäglichen die Nische des Glücks, das Geschenk und das Schöne entdecken – das kann Freude wecken und damit unsere Zuversicht stärken.
Es braucht also eine Bewusstseinsveränderung …
Absolut. Es ist eine Frage der Gedankenhygiene. In meinem Buch zitiere ich das Gedicht von Andreas Knapp, das ich so liebe: „Wenn nach Schreckstunden des Dunkels der Morgen die Augen aufschlägt, geh ihm singend entgegen, erwache ins Lob, und das Lob weckt dir die Welt, dass sie dir singe.“Das heißt, es ist ganz wesentlich, mit welcher Perspektive gehe ich in den Tag.
Zuversicht ist eine Haltung, die man sich aneignen kann. Wie beginnt man damit am besten?
Wenn ich die Fähigkeit der Zuversicht stärken möchte, dann steht am Anfang dieses Lernens wie am Anfang jeden Lernens die Entscheidung: Ja, ich möchte Stück für Stück üben, mich schwierigen Situationen so zu stellen, dass ich ihnen mit einer zuversichtlichen Haltung entgegentrete. Dazu gehört, sich den Schlamassel erst einmal vor Augen zu führen, anstatt davor zu fliehen oder sich zu betäuben – mit Konsum, mit Dauerbeschäftigtsein, mit Extremsport.
Eine zuversichtliche Person erkennt den Ernst der Lage. Sie nimmt nüchtern und realistisch die Schwierigkeiten wahr, aber sie lässt sich davon nicht lähmen. Sie entdeckt Handlungsspielräume, entwickelt Perspektiven und hat den Mut und den Schwung, die vorhandenen Spielräume zu nutzen, selbst wenn sie noch so klein sind. Und: Es ist wichtig, die Quellen zu kennen, aus denen sich Zuversicht speist! Eine wichtige Quelle sind Liebe und Freundschaft.
Wie oft ist es Ihnen schon passiert, dass andere Menschen in Ihnen Zuversicht geweckt haben?
Sehr oft. Wenn jemand anderer mir etwas zutraut, mir den Rücken stärkt oder mich einfach durch sein Lebenszeugnis berührt, und ich denke: wow, da kann jemand so wunderbar aus dem Glauben heraus leben oder so treu zu jemandem stehen – das weckt in mir den Glauben an das Gute im Menschen. Hier in Österreich habe ich gelernt, in den Bergen zu klettern. Beim Training an der Kletterwand in der Halle fühlte ich mich sicher dadurch, dass der Lehrer unten stand und mich dirigierte, wie ich an den Bouldern hochgehe. Auch sein Blick hat mir Halt, Selbstvertrauen und Zuversicht gegeben.
Sie haben die Hoffnung immer wieder eingebracht – zwischen Zuversicht und Hoffnung gibt es für Sie also keinen Unterschied, oder?
Es ist immer eine Frage der Definition. In meinem Buch verwende ich Zuversicht und Hoffnung gleichbedeutend und grenze die Begriffe ab von einem naiven Optimismus, der sich die Dinge schönredet. Im Wort
Hoffnung schwingt vielleicht gerade im christlichen Kontext – Glaube, Hoffnung, Liebe – noch einmal mehr die Glaubens-dimension mit.
Wie hilft der Glaube, zuversichtlich zu sein?
Nichts kann mehr Zuversicht und Hoffnung stiften in Krisenzeiten als das Ahnen, ich bin von Gott gehalten, ich bin in Gott geborgen. Oder wie Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „Herbst“ schreibt: „Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Gott ist in mir, Gott ist neben mir, Gott wartet auf mich auch jenseits dieser Zeit.
Interview: Susanne Huber
- Im Sonntagsblatt vom 28. November beginnt die 5-teilige Adventserie „Zuversicht“ von Melanie Wolfers.
(Kurz-Abo Print) - Buchtipp: Melanie Wolfers
„Zuversicht – Die Kraft, die an das Morgen glaubt.“ Verlag: bene!, 2021. Euro 14,40. - Homepage: www.melaniewolfers.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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