Mit Paulus Glauben lernen | Teil 04
Ein Kämpfer für die Freiheit

Zur Freiheit berufen ist der Christ. Paulus – hier beim Pop-Oratorium der Katholischen Jugend – kämpfte mit ganzer Leidenschaft für diese Freiheit. | Foto: Neuhold
  • Zur Freiheit berufen ist der Christ. Paulus – hier beim Pop-Oratorium der Katholischen Jugend – kämpfte mit ganzer Leidenschaft für diese Freiheit.
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Wie begründet Paulus die Freiheit des Christen?

Paulus war einer der größten Freiheitskämpfer der Geschichte. Er war rastlos unterwegs, er lehrte, diskutierte auf Marktplätzen und in Versammlungshäusern, provozierte Konflikte und scheute keinen Streit. Dabei ging es ihm nicht um eine extravagante Idee, eine neue Lehre, ein besonderes Dogma oder die Mitgliedschaft bei einer Gruppe. Er wollte Menschen an einer Erfahrung teilhaben lassen, die ihm geschenkt worden war: die Erfahrung einer Freiheit, die Menschen von Grund auf verändert.

Der Perfektionist.
Paulus beschreibt im Römerbrief rückblickend sein Leben vor der Christusbegegnung: Er wollte moralisch und religiös perfekt sein, alle Vorschriften bis ins Letzte erfüllen, um vor Gott gut dazustehen. Doch je mehr er sich für diese Perfektion abmühte, desto größer wurde die „Begierde“, die ihn „täuschte und tötete“ (Röm 7,11). „Ich unglücklicher Mensch!“ – so ruft er aus und beschreibt damit seine ausweglose Zwangslage. Sein – vergebliches – Ringen um Perfektion hatte eine sehr gefährliche Auswirkung: Er wurde zum verbitterten Kämpfer gegen andere, die sich nicht so streng an die Vorschriften hielten. Das ist ein bekanntes Muster: Man verfolgt bei anderen, was man bei sich selbst nicht akzeptieren will.

Die Begegnung.
Dann wirft ihn eine Erfahrung zu Boden: die Begegnung mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen. In ihm erfährt Paulus die grenzenlose Liebe Gottes. Eine Konsequenz daraus ist für ihn die Erkenntnis: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ Er – Paulus – braucht sich vor Gott nicht mehr zu „beweisen“, wie gut und perfekt er ist. Er darf dieses Geschenk der liebenden Nähe Gottes dankbar annehmen. Wenn er das tut, ist er vom Leistungszwang befreit und gewinnt eine völlig neue Kraft und eine neue Freiheit. Jetzt wird er in neuer Weise zum Kämpfer – nicht mehr gegen die Abweichler und zu wenig Frommen, sondern für die Freiheit der Menschen. 
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1). Damit haben die alten Normen und Gesetze ausgedient. Sie waren und sind nicht schlecht – das betont Paulus immer wieder –, aber jetzt ist der neue Geist in die Herzen der Menschen gelegt. Deshalb braucht es keine Gesetzestafeln mehr von außen. Wer sich von Jesus anrühren lässt, der darf – so wie Jesus – zu Gott „Abba“, „guter Vater“ rufen. Wer in einem so innigen Verhältnis zu Gott lebt, ist frei von äußeren Gesetzen. Damit hat sich für ihn eine Freiheit eröffnet, die alle Lebensbereiche umfasst.
Ein solcher Lebensbereich ist für Paulus die junge Kirche, in die er eingetreten ist. Und bald kommt es zu einem heftigen Konflikt: Weil für Paulus die Freiheit so entscheidend ist, tritt er dem Petrus wegen dessen „Heuchelei“ (Gal 2,13) scharf entgegen. Wer die Freiheit Christi in sich spürt, hat keine Angst vor Autoritäten, seien sie auch noch so wichtig. Petrus war einer der wichtigsten „Altapostel“, Paulus war ein gefürchteter und kaum bekannter Neuer und Neuerer. Vor dem Evangelium Jesu Christi sind diese Kategorien aber zweitrangig. Entscheidend ist, wer die Freiheit echter und jesusgemäßer zur Sprache bringt.

Zur Freiheit berufen. 
Der neue Geist der Freiheit (Gal 5,13) ist das große Geschenk Gottes an die Menschen – und Gott beschenkt uns nicht auf Grund unserer Verdienste; Gott beschenkt uns, weil er gut ist. Wenn Menschen dieses Geschenk annehmen, dann spüren sie, dass damit ein Ruf an sie ergangen ist: weitergeben und weitersagen. So ist es auch mit der Freiheit. Sie ist nicht ein Geschenk für uns privat, für das eigene Wohlbefinden. Sie setzt sich fort, indem wir andere frei machen oder die Fesseln lösen, die sie am Freisein hindern. Christen sollten Freiheits-Vorkämpfer sein. Es gibt viele Bereiche, in denen wir Fesseln erleben: Wirtschaft, Politik, gesellschaftliche Strukturen, soziale Zwänge, psychische und geistige und auch religiöse Ängste.
„Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17). Es gibt immer wieder die großen Reformatoren der Weltgeschichte. Sie bringen einen zündenden Funken in die Gesellschaft und zeigen eine neue Richtung für die Menschen auf. Dann sterben sie, und die Frage ist unausweichlich: Wie kann der Impuls dieses Menschen weiterleben? Es wachsen Institutionen. Das war auch in der jungen Kirche so – und dafür steht die Person des Petrus, das Amt der Weitergabe, die Tradition. Paulus macht aber auf etwas aufmerksam, das leicht vergessen wird: Christus ist nicht in einer Institution zu „fassen“, so perfekt sie auch sein mag und so ausgeklügelt ihr System funktionieren mag: „Der Herr ist Geist.“ Wenn man aber diesen Geist nicht fassen kann, woran ist dann erkennbar, ob diese „Geistkraft“ anwesend ist? Paulus antwortet einfach: „Dort ist Freiheit!“ Freilich lässt sich auch die Freiheit nicht eindeutig fassen, oft verbirgt sich blanker Eigennutz hinter diesem Wort. Deshalb legt Paulus noch einmal eine Spur: Die höchste Form der Freiheit ist die Liebe. „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2).

Die Freiheit gebrauchen. 
Wir sind es gewohnt, dass kirchliche oder andere Autoritäten uns ermahnen, ihren Weisungen zu folgen, und das hat manchmal durchaus Sinn. Trotzdem kommt von Paulus her ein anderer Schwerpunkt: Er ermahnt die Gemeinden, sie sollten ihre Freiheit gebrauchen! Es ist der Ruf, die Bitte, das Flehen, das wir vielleicht vom Umgang mit unseren Kindern kennen: Wir können und wollen euch nicht zwingen – wir können euch nur bitten: Werft die Freiheit nicht weg! Bleibt freie Menschen!

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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