Not ist grenzenlos | Teil 01
Durch Spielsucht auf der Straße gelandet
Alle sitzen gerade beim Abendessen, als wir das Pater-Jordan-Nachtasyl betreten. Die Männer und Frauen mustern uns verhalten oder auch ganz direkt. Die Atmosphäre ist gelöst: Etwas Warmes im Bauch und die Aussicht auf ein Bett für die Nacht lassen die Anspannung des Tages auf der Straße von den Menschen abfallen.
Mit manchen ergibt sich sogleich ein kleines Gespräch. In gebrochenem Englisch erzählt Abel stolz von seinen Verwandten in den USA. Er selbst sei auch schon dort gewesen, in dem riesigen Land mit den vielen Möglichkeiten. Leider habe er es hier in Rumänien nicht so gut getroffen. Nach dem Verlust der Arbeit sei alles sehr schnell gegangen, Delogierung, Bruch in der Familie, Leben auf der Straße. Sehr froh ist er, dass es das Nachtasyl gibt, so kann er - wenn er einen Platz bekommt - hin und wieder ein wenig Kraft schöpfen. Schön wäre es, wenn er wieder mit seiner Familie zusammenleben und sie ernähren könnte. Er vermisst seine Kinder.
Im Pater-Jordan-Nachtasyl versorgt die Caritas Temesvar seit 20 Jahren obdachlose Männer, Frauen und Kinder. Das Haus mit den 80 Betten - 20 für Frauen und 60 für Männer - ist jeden Abend voll besetzt. Im Winter, wenn bis zu 120 Menschen Schutz suchen, wird der Speisesaal mitgenutzt. Neben einem Bett erhalten die Obdachlosen zwei Mahlzeiten, hygienische und medizinische Versorgung und soziale Beratung.
Einige der Bewohner des Nachtasyls bekommen die Chance, auf der Caritas-Farm im 20 km entfernten Bakova einen Neuanfang zu probieren. Auf der Farm arbeiten und wohnen 16 Männer und Frauen - manche auch mit Kindern. Durch den Ortswechsel, den geregelten Tagesablauf und die Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen, wird den Menschen der Weg zurück in die Gesellschaft geebnet.
Obdachlosigkeit wird in Rumänien erst seit wenigen Jahren statistisch erfasst. Schätzungen zufolge leben in dem an Natur- und Kulturschätzen reichen Land mit seinen 21,5 Millionen Einwohnern 15.000 Menschen auf der Straße, viele davon Kinder. Gründe sind vor allem Armut, resultierend aus Arbeitslosigkeit, Inflation, Alkohol und Krankheit, aber auch häusliche Gewalt und das desolate soziale Netz, das kaum jemanden auffängt.
In der Stadt und dem Bezirk Temesvar im Westen des Landes setzt sich die Caritas seit mehr als 20 Jahren für Arme und obdachlose Menschen ein. Die Arbeit hat sich von der reinen Nothilfe in den ersten Jahren nach der Revolution 1989 zu nachhaltigen Hilfsprojekten gewandelt, die den Menschen das Rüstzeug mitgeben, sich wieder aus eigener Kraft zu versorgen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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