seelenstark: Theresa von Avila | Teil 04
Demut – der Versuch, in den Spiegel zu schauen
Demut heißt: Wandeln in Wahrheit. Dies ist einer der ganz berühmten Aussprüche von Teresa von Avila. Vor allem ist es ein Satz, der mir selbst sehr hilfreich war in meiner Beschäftigung mit der christlichen Frömmigkeit. Obwohl ich – zugegeben – immer wieder damit gehadert habe, weshalb Begriffe, die heute fast nur missverständlich sein können, unbedingt weiter verwendet werden müssen. „Demut“ ist ein solches Wort.[/p]
Sag heute zu jemandem „Demut“, und er wird dir tausend Gründe sagen, warum damit in der „wirklichen“ Welt kein Staat zu machen ist; sag heute zu jemandem „Demut“, und sie wird dir sagen, dass sie keine Lust mehr hat, bloß die „dumme, demütige“ Herde abzugeben.
Der Unterschied. Ja, „Demut“ ist ein schwieriges, ein missverständliches Wort. Deshalb finde ich die Ergänzung, die ich jetzt in Teresas Schriften entdeckt habe, so interessant: „Demut heißt: Wandeln in Wahrheit. Und Gott ist die höchste Wahrheit“ (Innere Burg VI, 10). Mit dieser Präzisierung wird klar, dass Demut jedenfalls nichts ist, das von Menschen eingefordert werden kann. „Es ist kein kleines Kreuz, seinen Verstand dem zu unterwerfen, der keinen hat. Ich habe das nie vermocht, und es scheint mir auch nicht richtig zu sein“, schreibt Teresa in ihrer Biografie (Vida 13,9). Sie weiß um falsch verstandene oder gar erzwungene „Unterordnung“. Teresa kennt auch die Gefahr der Verwechslung von Kleinmut und Demut: „Seid aber nicht kleinmütig wie einige, die das mit Demut verwechseln“ (CV 28,3). Im Gegenzug ruft sie immer wieder in Erinnerung, wie wichtig der Mut für das Leben ist: „Eine heilige Kühnheit müssen wir haben, denn Gott hilft den Mutigen ohne Ansehen der Person“ (CV 16,2).
Die Einladung. Nachdem ich nun negativ abgegrenzt habe, wie Demut im Sinne von Teresa nicht zu verstehen ist, soll mit Hilfe eines Gebetes, das Teresa zugeschrieben wird, positiv gefüllt werden, was Demut für Teresa bedeutet. Vielleicht finden Sie die Zeit, dieses Gebet (siehe Kasten links) in Ruhe zu lesen – oder auch zu beten. Ein paar Verse greife ich heraus:
Irren „zulassen“. Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann. Sei es in privaten Gesprächen, aber auch wenn es um berufliche Dinge geht oder um Fragen in Kirche und Gesellschaft: Wir haben unsere Ansichten und Meinungen, und die bringen wir mit Überzeugung ein – gut so! Der Gedanke könnte aber sein wie ein kleiner Zwischenschritt, ein Innehalten, bevor ich loslege: „Ich kann mich auch irren.“ Deswegen stehe ich trotzdem zu meiner Überzeugung, aber ich kann eher den Einwänden der anderen Gehör schenken. Es ist dieser ungebremste Eifer, der die anderen dann gar nicht mehr zu Wort kommen lässt, dieser Eifer, der ein ehrliches Gespräch, einen guten Streit von Anfang an verhindert.
Entdecken und loben. Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Gott, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen. Es war mein Vater, der diesen Spruch in unsere Familie hereingebracht hat: „Nünt gset isch globt gnua!“ (Für Nicht-Vorarlberger/innen: „Nichts zu sagen ist schon genug gelobt.“) Dieser Spruch bzw. die Haltung dahinter hat schon immer für Aufbegehren in unserer Familie gesorgt. Vehement haben wir das zurückgewiesen. Wohl zu Recht, aber die Frage bleibt, wie mein eigenes Verhalten heute aussieht: Was fällt mir als erstes ein, wenn ich über einen Kollegen spreche: die Schwächen und das, was er nicht so gut kann, oder die Talente? Wie hartnäckig hält sich das Gefühl, dass die eigenen Qualitäten nur zum Vorschein kommen, wenn andere weniger gut sind?! Teresa spricht von den „unerwarteten Talenten“, ermuntert uns also, die anderen immer wieder aufs Neue anzuschauen, nicht die alten Bilder ewig weiterzutragen, neu die Augen aufzutun. Und dann, im zweiten Schritt, das Positive auch zu sagen. Es ist tatsächlich eine „schöne Gabe“, das Positive bei anderen zu erwähnen. „Schön“ und gut ist dann die Stimmung, die Atmosphäre, die das Gespräch prägt, schön ist auch die Motivation, die sich daraufhin einstellt, und „schön“ und „gut“ zu sein ist dann auch das Gefühl, das sich bei der gelobten Person einstellt.
In allen Beziehungsratgebern, in jeder Literatur zur Unternehmensführung, überall wird die Notwendigkeit des Lobes erwähnt. Die Umsetzung erweist sich als schwierig, vielleicht weil die notwendige Kehrseite eines ehrlichen Lobes die Demut des Lobenden ist. Die Demut zu sagen: „Das kannst du wirklich gut, das hätte ich so nicht hinbekommen.“
Locker mit Humor. Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben… Das Augenzwinkern, der Humor dieser Zeile ist großartig. Dieser Humor, mit dem sie auf ihre Schwäche schaut, ist befreiend. Wir haben unsere Prägungen, Eigenheiten und Schlagseiten. Der Versuch, mich zu ändern, bringt unter Umständen sogar eine noch größere Fixierung mit sich. Das kann schon zur Verzweiflung bringen. Demut ist also auch die Gelassenheit, mein „So-Sein“, mein „Geworden-Sein“ anzunehmen. Nicht rechthaberisch und beharrend immer wieder zu verteidigen, wie ich bin, sondern sehend, was ich damit auch in meiner Umgebung „anrichte“. Ein leichtes Augenzwinkern, der humorvolle Blick auf die eigenen Schwächen, löst festgefahrene Beziehungsabläufe.
Anna Findl-Ludescher
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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