Heute von Gott erzählen | Teil 2
Das blendende Wunder

Die französische Mystikerin Madeleine Delbrêl fand Gott auf der Straße, im kommunistischen Arbeitermilieu.  | Foto: KNA
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  • Die französische Mystikerin Madeleine Delbrêl fand Gott auf der Straße, im kommunistischen Arbeitermilieu.
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Madeleine Delbrêl (1904–1964): Sie war eine französische Sozialarbeiterin, aber nicht nur das.

Geboren in Mussidan in Frankreich, musste Madeleine immer wieder mit ihren Eltern siedeln. Eindrucksvoller als die äußere Bewegung war ihr innerer Weg. Sie wurde als Kind getauft und hat die Erstkommunion gefeiert. Später wird sie sagen, sie habe in dieser Zeit wunderbare Menschen kennen gelernt, die ihr den christlichen Glauben nahegebracht haben. Dann aber ebenso beeindruckende Persönlichkeiten, die sie davon abgebracht haben. Mit 15 sei sie durch und durch Atheistin gewesen: „Gott ist tot, es lebe der Tod“, schreibt sie mit 17 Jahren.

Sie beginnt ihr Studium an der Sorbonne, gewinnt einen Literaturpreis, bis sich in ihrem Leben etwas ereignet, das sie als das „blendende Wunder“ bezeichnet: Sie entdeckt Gott. In einem Gebet spiegelt sich dieser unerwartete Einschnitt: „Du lebtest, und ich wusste es nicht. Du hattest mein Herz nach deinem Maß geschaffen, mein Leben, um so lange zu währen wie du, und weil du nicht da warst, erschien mir die ganze Welt als klein und hässlich und unser Schicksal als stumpfsinnig und böse. Als ich erfahren hatte, dass du lebst, habe ich dir dafür gedankt, dass du mich ins Leben gerufen hast, und ich habe dir für das Leben der ganzen Welt gedankt.“

Angesichts dieser starken Erfahrung denkt sie an ein Leben als Karmelitin, entscheidet sich dann aber für Sozialarbeiterin. Mit Freundinnen zieht sie in eine Industrie-Vorstadt von Paris: Ivry. Dort wollen die jungen Frauen gemeinsam ein religiöses Leben inmitten einer überwältigenden Mehrheit kommunistisch orientierter Arbeiterinnen und Arbeiter führen. Darin sehen sie ihre Berufung. Was das heißt, das hält Madeleine Delbrêl in einem eindrucksvollen Bild fest: „Die Leidenschaft für Gott wird uns klarmachen, dass unser christliches Leben ein Schreiten zwischen zwei Abgründen ist. Der eine ist der messbare Abgrund der Ablehnung Gottes durch die Welt. Der andere ist der unauslotbare Abgrund des Geheimnisses Gottes.“

Dieses unauslotbare Geheimnis Gott ist für Madeleine Delbrêl das Wertvollste ihres Lebens. In Begegnungen mit beeindruckenden Männern und Frauen wurde der Kommunismus für sie zu einer Versuchung. Als sie aber versteht, dass der Atheismus für ihn unverzichtbar ist, ist ihre Entscheidung klar. Gott ist und bleibt für sie die alles tragende Gewissheit: „Der Mittelpunkt dieses Lebens, seine Freude, sein tiefster Daseinsgrund, ohne den es eitel erschiene, ist die Gabe unserer selbst an Gott, in Jesus Christus.“ Das bedeutet nicht Rückzug aus der Gesellschaft. Für sie ist es wichtig, „in dieser Welt, in sie hineinversenkt, als Partikel der Menschheit“ zu sein, um dort „Gott einen Ort zu sichern“.

Wenn Gott zur Wirklichkeit wird

Manchmal sieht es in unseren Breiten in der öffentlichen Diskussion so aus, als sei der Atheismus die einzige Alternative, für die sich ein denkender Mensch heute entscheiden könne. Atheismus als Überzeugung, dass eigentlich nichts für Gott und den Glauben an Gott spricht.

Zu dieser einseitigen öffentlichen Wahrnehmung gehört auch, dass zwar in den Medien religiöse Themen aufgegriffen werden, dass man aber zumeist am „äußeren Bild“ der Glaubensgemeinschaften bleibt. Wenn es um den Inhalt religiöser Überzeugungen geht, werden die Ausführungen nicht selten wenig differenziert, distanzierter oder ablehnend.

Was religiöse Überzeugungen betrifft, kann man nicht nur auf Texte, sondern auch auf Menschen verweisen, die zum Glauben an Gott gefunden haben (wie etwa eben an Madeleine Delbrêl). Ihre Ausgangspunkte, Wege, Ziele und die Konsequenzen, die sie aus ihren Erfahrungen gezogen haben, waren unterschiedlich.
Aber gemeinsam ist ihnen, dass Gott für sie zur Wirklichkeit geworden ist und dass sie das – als gebildete und selbstkritische Geister – für der Rede wert gehalten und daher zum Thema gemacht haben.

Biografische Skizzen über Menschen zeigen: Was den (religiösen oder philosophischen) Glauben an Gott betrifft, kann und muss man unterscheiden zwischen der Art und Weise, wie Menschen zu diesem Glauben gekommen sind, und der Art und Weise, wie man diesen Glauben mit Argumenten begründen kann.

Wie ein Mensch – etwas flott formuliert – seinen Gott gefunden hat, das sagt streng logisch
nichts darüber aus, ob es ihn gibt oder nicht.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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