GEISTES.Gaben aus FRAUEN.Sicht | Teil 06
Auf DU und DU mit einer Giftpflanze

Die Kerne der Eibe sind giftig, das Fruchtfleisch genießbar – so nah liegt das Lebensförderliche beim Bedrohlichen | Foto: unsplash
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  • Die Kerne der Eibe sind giftig, das Fruchtfleisch genießbar – so nah liegt das Lebensförderliche beim Bedrohlichen
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Angewandte Frömmigkeit:
Was tun, wenn die Zuversicht angesichts der Wechselfälle des Lebens einmal abhanden kommt?

In letzter Zeit habe ich immer wieder wahrgenommen, wie viel Kraft es braucht, wie viel Gottvertrauen – eben Frömmigkeit – um die Zuversicht zu manchen Zeiten nicht zu verlieren! Und wenn sie trotzdem abhanden kommt, habe ich im Laufe meines Lebens gelernt, trotzig an der Hoffnung, der Freundin des Glaubens, festzuhalten, um irgendwann, mit großer Wahrscheinlichkeit, wieder auf die Zuversicht zu stoßen …

Eine konkrete Form, mich mit der Hoffnung zu verbinden, ist das Aufsuchen des Waldes. Da streife ich umher und spüre, wie alles mit allem zusammenhängt: „Ich bin Leben, das leben will inmitten von Leben, das Leben will“ (Albert Schweitzer). In der Natur kann ich spüren, dass ich, die ich auch Natur bin, in einem größeren Ganzen atme und lebe. Auch hier sehe ich Totholz neben sprießenden Knospen, Federn, die von einem tödlichen Kampf zeugen und kühne Baumwindungen, die an Unwegsamkeiten vorbeiwachsen. Alles Leben tritt mir entgegen und lässt alles Leben in mir sein. Diese Beobachtungen nähren in mir die fromme Gewissheit, dass es in allem eine Kraft gibt, die in unserem Leben wirkt, sich uns auch entzieht UND es gut mit uns meint. Dafür gibt es viele Namen, einer davon ist Gottes Geistkraft.

So saß ich letztens lange in der Dämmerung unter einer Eibe und fand tiefen Frieden. Just unter einer giftigen Pflanze! Bei genauerer Recherche fand ich heraus, dass speziell die Kerne der Frucht giftig, aber das Fruchtfleisch lecker ist. So nah liegt das Lebensförderliche beim Bedrohlichen. Und so sitze ich symbolisch noch immer unter der giftigen Eibe und finde ein großes JA zu allem, was sich z. B. in diesem Winter in mein Leben gedrängt hat. Aus allem tritt mir Leben, eben in unterschiedlichen Formen, entgegen. Und mit diesem beherzten Ja – auch zu schmerzenden Herausforderungen – entspannt sich vieles in mir, wird es mir leichter, kommt fromme Zuversicht und Lebensmut trotz alledem auf.

Andrea Pfandl-Waidgasser
ist Theologin, Wanderführerin und Ritualbegleiterin und lebt mit ihrer Familie in Graz

Frömmigkeit:konkret
Nimm dir täglich Zeit, an dem Ort, an dem du bist, dich erwartungsfrei mit der „Grünkraft“
zu verbinden.

O heilende Kraft,
die sich Bahn bricht!
Alles durchdringst du, die Höhen,
die Tiefen
und jeglichen Abgrund.
Du bauest und
bindest alles.

Hildegard von Bingen
(1098–1179) Kirchenlehrerin, Heilige, Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin, Komponistin und natur- und heilkundige Universalgelehrte.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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