Positionen - Elisabeth Wimmer
Wachsen und Lösen
„du bist noch nicht gewachsen // zwischen diesen Häusern // das sind nicht deine Gassen // deine Schritte kleben nicht hier // unsichtbar auf dem Asphalt“. Wer mag das Du sein in diesem Erzähl-Gedicht von Julia Costa (erschienen im steirischen Keiper Verlag)? „du hast hier noch keine Geschichten // und keine Gestalt“ Wessen Füße sind von irgendwoher gekommen, waren wohl anderswo gewachsen und mit anderem Boden verklebt?
Ich denke an das Dorf meiner Kindheit, an die Wege von zu Hause um die Kirche herum, zum allabendlichen Milchholen, zur Schule, die paar Schritte zum Nachbarbuben und gemeinsam mit ihm zum Spielen am Bach. Wie gut, mit Wegen verwachsen und sich später wieder lösen zu dürfen, neue Wege zu finden, über Erde, auf Asphalt, die unsichtbar an Füßen kleben bleiben. Wie gut, neue Dörfer zu finden, wo man „noch keine Geschichten“ hat.
Auch Julia Costa begleitet das Du des Gedichts schrittweise „über eine dunkle Wiese“, über Kopfsteinpflaster“, „lass einen Holzboden entstehen unter dir“, „kühler Boden unter dir // Erde“ und über „Asphalt“. Ich mag das unaufdringliche Mitgehen ihrer Worte. Als würde man Fremden einen Weg zeigen wollen. Als würde man kleinen Füßen nachgehen, die sich zum ersten Mal auf neuem Boden versuchen. Als würde man einen verstorbenen Menschen ein letztes Mal auf seinen Wegen tragen, bis zum Rand des Dorfes, bevor man ihn zum Grab begleitet.
„hier ist das Leben“ – Wohin unsere Weg-Spuren geführt haben und von wo sie weiter führen, da ist „hier“. Spuren, die kleben und die sich lösen. So legen wir Spuren, und so heißt das Gedicht: „hier“.
Elisabeth Wimmer
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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