Positionen - Elisabeth Wimmer
Scheibchenweise
Zur Frage „Wie konnte man das nur geschehen lassen!“ sprach in den 1950er-Jahren der Journalist Milton Mayer (USA) mit einigen Deutschen über ihre Haltung zur wachsenden Repression in der NS- Zeit. In seinem Buch (They thought they were free, Chicago 1955, 2017) gibt es Zitate des evangelischen Pastors Martin Niemöller. Sie wurden später vielfach abgewandelt. Die Grundaussage aber kann man als langfristig gültiges Warnschild werten:
„Jeder Schritt war so klein, so belanglos, gut erklärt ...“ Der Weg zu systematischen Morden begann mit kleinen Verschiebungen der Anständigkeitsgrenzen. Man fühlte sich zwar, so Niemöller, nicht ganz wohl, ließ aber geschehen. Und: Es ging eh zuerst den anderen an den Kragen: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich nichts unternommen; ich war ja kein Kommunist. Sie holten die Sozialisten … dann die Juden; ich schwieg. Als sie die Kirche attackierten, war es zu spät. Sie holten mich, und es gab keinen mehr, der protestieren konnte.“
Wir sollen nicht zulassen, dass anderen Menschen entwürdigend begegnet wird. Aus Haltung. Und – so fragwürdig das auch klingen mag – aus Selbstschutz. Denn niemand kann sich darauf verlassen, dass Menschenverachtung vor der eigenen Gruppe haltmacht.
Elisabeth Wimmer
redaktion@sonntagsblatt.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.