Positionen - Karl Veitschegger
Meine Maria

Ich erinnere mich gerne an die Maiandachten meiner Kindheit in unserer Dorfkirche. Es roch nach Weihrauch. Blumen überschwemmten den Marienaltar noch verschwenderischer als sonst. Gefühlvolle Lieder und das Rosenkranz-Murmeln beruhigten mein unruhiges Bubenherz und überzeugten es: Gott ist schön und riecht gut. Und Maria muss ziemlich beliebt sein bei dieser Menge von Blumen.

Später hörte ich viel über Maria im Religionsunterricht, und als Theologe beschäftigte ich mich kritisch mit den katholischen Mariendogmen und klopfte sie auf ihre bleibende Bedeutung ab. Aber so richtig warm ums Herz wurde mir dabei nicht.

In letzter Zeit habe ich einen neuen Zugang zu Maria gefunden. Die Evangelien zeigen sie auch als Frau, die sich mit ihrem Sohn Jesus oft schwertut. Denn er ist kein Muttersöhnchen, er geht seinen eigenen Weg. Muss ihn gehen. Sie kann dabei vieles von dem, was er sagt und tut, nicht verstehen. Und sie riskiert sogar manch scharfes Wort von ihm: „Was willst du von mir, Frau?“ (Joh 2,4). Aber sie gibt nicht auf, bleibt ihm zugetan. Bei der Hochzeit zu Kana provoziert sie dadurch sogar das bekannte „Weinwunder“. Das alles macht sie mir sympathisch. Denn auch ich verstehe manches Wort und manche Handlungsweise Jesu nicht. Auch ich bitte vielleicht um Dinge, die banal erscheinen. Aber ich will trotzdem nicht von ihm lassen.

Nach Ostern finden wir Maria im Kreis der Jüngerinnen und Jünger. Gemeinsam mit ihnen bittet sie jetzt um den Heiligen Geist. Sie alle wollen Jesus besser verstehen lernen. „Verstehen lernen“ ist auch ein Name für Christ/in sein.

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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