Positionen - Leopold Neuhold
Jetzt den ersten Schritt

„Das Leben ist voller Elend, Einsamkeit und Leiden – und dann ist es auch noch viel zu schnell vorbei.“ Woody Allen weist mit diesem Ausspruch auf einen Widerspruch in unserem Zugang zum Leben hin: Auf der einen Seite sind für uns Leid, Einsamkeit und Tränen bestimmend. Also ist es zu vergessen. Auf der anderen Seite hängen wir trotzdem am Leben, das ja so gar nicht lebenswert erscheint. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Beklagen wir deshalb die Kürze des Lebens, weil uns damit die Möglichkeit genommen wird, die beklagenswerten Zustände zu verändern?

Das Evangelium vom Sonntag hört sich dagegen wie eine billige Vertröstung an, wenn die Armen, die Hungernden, die Ausgestoßenen selig gepriesen werden. Das gegenwärtige Glück gegen die Seligkeit im Reiche Gottes, das im Mittelpunkt der Seligpreisungen steht, einzutauschen, das kann doch nicht die Lösung sein! Wir glauben nämlich, heute alles schaffen zu können, und verschärfen mitunter das Problem.

Es ist kein Hohn, wenn Jesus die Armen seligpreist, er fordert uns nicht zum Hinnehmen und Nichtstun auf. Vielmehr zieht er einen neuen Horizont ein, nämlich den des Reiches Gottes, der uns den Zwang nimmt, alles hier und jetzt erreichen zu müssen. Er befähigt uns, über die Grenzen unserer Möglichkeiten hinaus, die Seligkeit zu finden, die mehr ist als augenblickliches Glück. Das zu finden, ist das Leben nicht zu kurz, wenn wir es in Bezug auf die Ewigkeit sehen, die jetzt beginnt. Und wenn wir in der Bekämpfung von Leid und Einsamkeit einen ersten Schritt in diese Richtung setzen. Nicht Leid ist dann bestimmend, sondern Seligkeit.

Leopold Neuhold

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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