Positionen - Elisabeth Wimmer
Himmlische Form
Nach einer Wanderung mache ich einen Kurzbesuch bei der ehemaligen Heilig-Geist-Kapelle in Bruck. Ein wenig ausruhen an einer der drei Türen, von denen keine der Haupteingang ist. Der Grazer Liturgiewissenschafter Philipp Harnoncourt war in seinen letzten Lebensjahren die dynamische und ausdauernde Kraft hinter der Restaurierung dieses außergewöhnlichen spätgotischen Bauwerks. Er sah es als trinitarischen Bau, dessen abgeschrägte Ecken, Seiten und Türöffnungen in der Horizontalen völlig hierarchiefrei ausgerichtet sind. Sie beziehen sich auf die obere Mitte und werden von dort zusammengehalten. Stabilisiert.
Das Gebäude ist schon lang keine Kapelle mehr. Harnoncourt wollte es als Mahnmal erhalten, das – so habe ich ihn verstanden – keinen Zweck erfüllt, außer die Dreiheit mit ihrem Bezug nach oben zu markieren, der als „Punkt außerhalb des Systems“ diesem Halt und Deutung gibt.
Wie lässt sich das verstehen, dass der Weg zum Punkt, der alles zusammenhält, nicht den einen einzigen (in Ziffern: 1) Haupteingang nimmt? Wie viele Türen führen zum Punkt, den wir Himmel nennen? Das entscheiden nicht wir. Wir finden uns an den Türen ein, zum Ausruhen und Durchgehen, und sollen nicht im Weg herumstehen.
Elisabeth Wimmer
redaktion@sonntagsblatt.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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