Positionen - Karl Veitschegger
Gnadenbild

Ich jogge in der Früh gerne an der Mur. Es ist für mich eine gute Zeit zum Beten und Meditieren. Vor ein paar Tagen – ich bedenke gerade den Satz „geboren von der Jungfrau Maria“ – kommt mir eine Wallfahrergruppe mit Vortragskreuz entgegen. Es folgt ein freundliches Gespräch, und ich bitte die gut gelaunten Männer und Frauen schließlich, auch meine Anliegen nach Mariazell „mitzunehmen“.
Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen pilgernd auf den Weg machen, aber es ist auffällig, dass das Ziel sehr oft ein Marienwallfahrtsort ist. Die Mutter Jesu ist bis heute für viele ein berührendes Bild der Zärtlichkeit Gottes. Vor ihr muss man nicht mit Leistungen aufwarten; ihr kann man die Wunden des Lebens anvertrauen; sie hält Zweifel und Unsicherheiten gut aus und ist auch in scheinbar auswegloser Situation einfach da, schweigt und zeigt uns Jesus. Das alte Wort „Gnadenbild“ hat hier seinen schönsten Sinn.
Die evangelische Theologin Dorothee Sölle hat einmal geschrieben: „Die Bilder der Muttergottes erinnern uns an unsere eigenen Sehnsüchte nach einem anderen Leben. […] Sie erinnern uns daran, wie innerhalb der religiösen Tradition Ängste und Wünsche einfacher Leute benennbar und darum heilbar wurden, sodass die Welt nicht nur ein unbegreiflich wirres ‚Getümmel‘ blieb, sondern ein Hinweis auf das Land der Freiheit, das wir Himmel nennen, wurde.“
Und der Himmel beginnt nicht erst nach dem Tod. Er wächst schon jetzt in uns und um uns.
Ich wünsche Ihnen einen himmlisch guten Sommer.

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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