Positionen - Elisabeth Wimmer
An wessen Seite stehen wir?

„Du warst noch klein, da haben wir …“ Das Erzählen begleitet uns ins Leben, es tröstet, es spricht aus und hilft zu verstehen, was in der Familie und draußen vor sich geht – oder behindert solches Verstehen.

„Im Anfang schuf Gott …“, „und auf diesem Felsen …“ Narrative geben der Kultur etwa einer Nation oder einer Kirchengemeinschaft ihr Geschichtennetz. Es trägt, verbindet, gibt Halt; es kann auch verschleiern.

Erzählungen öffnen den Blick für Zusammenhänge (was warum geschah, wie es für mich bedeutsam ist, mit wem es mich verbindet) oder trüben ihn. Sie können einem Unrecht dienen, Tatsachen verschweigen und damit auf Abwege führen. Sie bringen das Leben voran oder, wie wir etwa kürzlich in unseren Breiten erkennen mussten, verbale oder gar physische Gewalt ins Land. Jetzt wieder anderswo.

Die eigene Erzählung darf der Selbstprofilierung dienen. Aber es ist Unrecht, sie zur einzig gültigen zu erklären, anderen Menschen aufzuzwingen, ihnen andere Narrative vorzuenthalten, womöglich mit Gewalt.

„Wahr ist, was erzählt wird“: Das Narrativ beherrschen – das ist als Strategie von Diktatoren verschiedener Ausrichtung bekannt. Das Modell dient aber auch sanfterer Manipulation im Alltag. Und kann schon mal Gespräche mühsam machen.

Was tun? Genau hinhorchen. Freiheit nützen, Information finden wollen. Und entscheiden, welchen Erzählungen wir Macht über uns geben. Viele Dinge können wir nicht ändern, aber wir können unsere Position dazu finden, bestimmen, an wessen Seite wir stehen, wem wir zugehören wollen.

Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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