Stichwort: Partizipation
Von der frühen Kirche lernen
Theologische Fakultät. Ein Symposion sammelte biblische und liturgische Schlaglichter auf ein aktuelles Thema.
Die frühe Kirche setzte auf das gemeinsame Mahl, und um dieses Mahl herum entwickelten sich unterschiedliche Formen von Partizipation und Leitung. Die Pluralität dieser Zugänge aus biblischer und liturgischer Sicht aufzuzeigen, war das Anliegen des Symposiums „Partizipation und Leitung in der frühen Kirche“, das vom 31. Mai bis 1. Juni 2024 im Meerscheinschlössl in Graz unter der Leitung von Josef Pichler und Peter Ebenbauer stattfand und die Teilnehmenden in einen intensiven Diskussions- und Arbeitsprozess verwickelte.
In zwölf Beiträgen warfen WissenschafterInnen Schlaglichter auf diese Thematik:
Dirk Tänzler (Konstanz) eröffnete die Veranstaltung mit einem religionssoziologischen Beitrag, in dem er das Verhältnis von Charisma und Organisation am Beispiel der Fußwaschung von Papst Franziskus beleuchtete. Er stellte fest, dass die rituelle Geste einerseits an die jesuanische Praxis der Gastfreundschaft anknüpft, andererseits der Papst durch die Auswahl der Personen, denen er die Füße wäscht, das bestehende Ritual transzendiert.
Katharina Pyschny (Graz) wählte für ihren Beitrag partizipative Führungsmodelle in atl. Texten und verband Num 11 mit Joel 3. Beide Texte sprechen vom Geist Gottes und dem prozesshaften Aushandeln von Führung und Leitung.
Martin Ebner (Bonn) gab einen Einblick in die Organisation der lukanischen Gemeinde und verglich die vorgefundene Organisationsstruktur mit hellenistischen Vorbildern. „Nach der Darstellung der Apostelgeschichte besteht die ideale Gemeinde aus einer Trias: dem Presbyterkollegium, das in Krisensituationen Lösungsvorschläge erarbeitet, einer Gruppe von Propheten und Lehrern, die unaufgefordert Impulse geben, und der Vollversammlung der Gläubigen, die ihrerseits auf deren Vorschläge reagiert. Eine übergeordnete Steuerungsebene, wie sie in der Verwaltungsstruktur der Städte oder auch mit dem Bischof in anderen frühchristlichen Gemeinden üblich ist oder wird, gibt es nicht“.
Josef Pichler (Graz) zeigte in seinem Vortrag, dass die jesuanische Dimension von Mt 19,12 „Eunuchen für das Himmelreich“ im Laufe der Rezeption von Männlichkeitskonzepten der römischen Umwelt überlagert wurde. Das Jesuswort bricht mit dem Ideal hegemonialer Männlichkeit, dem ohnehin nur sehr privilegierte Personen entsprachen, und sieht stattdessen in den Kindern die idealen Repräsentanten für den Anbruch des Reiches Gottes.
Ute Eisen (Gießen) unterstrich in ihrem Vortrag über Frauen in frühchristlichen Führungspositionen, dass gerade bei der Arbeit mit antiken Quellen eine Sensibilität für inklusive Sprache dringend erforderlich sei: „Die Androzentrik der Sprache, der Quellen und der Forschung erfährt so ein kritisches Korrektiv“.
Andrea Taschl-Erber (Paderborn) konzentrierte sich auf das Lukas- und das Johannesevangelium und betonte: „Im Vergleich zu den ersten beiden Evangelien erhalten Frauenfiguren in Lk und Joh mehr erzählerische Präsenz und Stimme.“ Das hat Konsequenzen für die Gesamtkonzeption des jeweiligen Evangeliums, aber auch für die Frage der Jüngerschaft und im Blick auf die Ostertexte.
Das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen stand im Mittelpunkt des Vortages von Christoph Müller (Fulda). Priestersein im Ensemble" war nicht nur Titel, sondern auch Programm seines Vortrags, in dem er fünf Bausteine der Ekklesiologie des 1 Petr herausarbeitete: Erwählung, königliches Priestertum, geistliches Opfer, Eigentum Gottes, Minderheitssituation.
Sehr innovative Aspekte brachte Thomas Schumacher (Fribourg) in die Tagung ein, indem er pointiert die These vorstellte: „Die Ämter des Epheserbriefes sind aus jüdischer Perspektive zu lesen, und jede Übertragung in einen nichtjüdischen kirchlichen Kontext muss sich daher vor substitutionstheologischen Positionierungen hüten“.
Der Vortrag von Petro Husak (Lviv), der nicht anreisen konnte, aber live zugeschaltet war, führte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die dramatische Situation in der Ukraine vor Augen. Er referierte über das Spannungsfeld von Gehorsam und Freiheit in der paulinischen Theologie und zeigte auf, wie spannungsreich die Botschaft des Evangeliums und der staatliche Zugriff auf Lebensentwürfe sein können.
Martin Stowasser (Wien) konzentrierte sich auf das Sendschreiben nach Thyatira und das in der Offenbarung greifbare Amtsverständnis: „Ist Akkulturation gleich Assimilation? In der Johannesoffenbarung prallt die judenchristliche Wertewelt ihres prophetischen Verfassers auf die Lebenswelt kleinasiatischer, großstädtisch geprägter Christinnen und Christen. Die Auseinandersetzung bietet ein klassisches Beispiel für den Konflikt um Nähe oder Distanz zur griechisch-römischen Gesellschaft, wie ihn die frühen Christen auf verschiedenen Ebenen erlebt haben“.
Predrag Bukovec (Linz) sprach über Eucharistie und Prophetie im 2. Jahrhundert: „Im späten 2. Jahrhundert gab es keinen Platz mehr für die seit dem Urchristentum bezeugte Prophetie, da in der Eucharistiefeier die Messe das ältere Symposion verdrängte und dort sowohl die Leitung (Bischof) als auch der Wortteil (Lesungen, Homilie) klar geregelt waren.“
Peter Ebenbauer (Graz) schlug mit seinem Beitrag zu den Repräsentationsfiguren des Gottesdienstes eine Brücke in die Gegenwart, indem er darlegte, dass in den ersten christlichen Generationen nicht die Fokussierung auf eine leitende Person mit liturgischer Vorrangstellung bestimmend war, sondern die liturgische Repräsentation des göttlichen Wirkens in erster Linie zwischenmenschlich und sozial ausgerichtet war.
Die Theologische Fakultät Graz lieferte damit einen Beitrag zum Synodalen Prozess, „der viele Menschen in unserem Land erreicht und bewegt“, wie es Bischof Wilhelm Krautwaschl in seinem Grußwort per Videobotschaft formulierte.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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