Kirche Steiermark
Rituale – Soziales Band und Fenster zum Sinn

Ein vollbesetzter Franziskussaal im Franziskanerkloster Graz zeugte von regem Interesse für Rituale, das Thema des Symposiums. Auch intensive Diskussionen ergaben sich. | Foto: Gerd Neuhold/Sonntagsblatt für Steiermark
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  • Ein vollbesetzter Franziskussaal im Franziskanerkloster Graz zeugte von regem Interesse für Rituale, das Thema des Symposiums. Auch intensive Diskussionen ergaben sich.
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Es ist unmöglich, ohne Rituale zu leben, geschweige denn ein soziales Leben aufzubauen – diese alltägliche Einsicht stand am Anfang des Symposions „Rituale – Soziales Band und Fenster zum Sinn“, das am vergangenen Montag und Dienstag in der Aula der Universität Graz und im Franziskussaal des Franziskanerklosters stattfand. Die Frage, wie Rituale Sinn stiften und Interaktionen in sozialen, politischen und religiösen Kontexten rahmen, bildete den Mittelpunkt der Vorträge und Workshops dieser Tagung, an denen sehr viele Interessierte aus unterschiedlichen Praxisfeldern, Ordensleute und Theologinnen und Theologen teilnahmen.

Die interdisziplinär diskutierten Vorträge, mit denen die Tagung begann, beleuchteten soziale Aspekte von Ritualen, deren Interaktions- und Orientierungsfunktionen sowie ihre Fähigkeit, einen Gottesbezug zu eröffnen. In ihrem Eröffnungsvortrag legte Soziologin Katharina Scherke dar, wie in Ritualen Körper und Emotion auf der einen und rationale bzw. kognitive Aspekte auf der anderen Seite eine Einheit bilden und dass sie mindestens drei Funktionen erfüllen können: Sie stellen einmal Gemeinschaft her und grenzen Unwissende aus. Zum anderen machen sie Statusunterschiede sichtbar und sind schließlich in der Lage, in unklaren Situationen Orientierung zu bieten. Wie Soziologe Heinrich Hofer in seiner Antwort auf den Vortrag von Katharina Scherke betonte, sind Rituale aber auch in der Lage, eine Relation zwischen Alltag und Transzendenz aufzuspannen sowie bekannte Ordnungen einerseits zu stabilisieren und andererseits zu unterbrechen.

Foto: Gerd Neuhold/Sonntagsblatt für Steiermark

Liturgiewissenschafter Peter Ebenbauer widmete sich in seinem Referat Gebetsritualen an der Schwelle von Wachen und Schlafen und stellte dabei unvermutete Parallelen zwischen der Komplet, dem Abendgebet der Kirche, und Wiegenliedern her. Zudem betonte er, wie solche Rituale das Loslassen, das Vertrauen und die Einübung in das Sterben hinein in die Hand Gottes einüben können. Freilich ist es nach Peter Ebenbauer auch möglich, sie zur Leistungsschau oder für Maßregelungen zu missbrauchen. Gleichsam als Gegenfolie zu gelingenden Konventionen warf Willibald Hopfgartner OFM einen Blick auf Texte, in denen Franz Kafka Rituale beschreibt, die in den Leerlauf münden. Dort wird um sie gekämpft, sie zeigen das Scheitern und das Fehlen von Beziehungen an oder markieren die Hast als Verweigerung von Begegnung.

In den vier Workshops, aus denen man zwei wählen konnte, haben Fachleute aus der Praxis, aber auch aus der Wissenschaft ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geteilt und manchmal heftig diskutiert. Im Zentrum standen die folgenden Themenbereiche: Michaela Höfler-Bauer, Bärbel Wilding, Barbara Schneider und Kurt Di Bernardo schöpften aus ihren Erfahrungen in Kranken- und Pflegeheimen, die sie mit Ritualen bei Krankheit sowie im Sterben und bei der Totenwache gemacht haben. Andreas Holl OFM widmete sich in seinem Workshop den Ritualen des Essens und Trinkens, wie sie dem heiligen Franziskus zugeschrieben werden. Dazu führte er die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an drei Orte des Klosters, an denen er mit Texten, Glasfenstern und einer Weinverkostung vermittelte, worum es Franziskus vor allem ging.

Foto: Gerd Neuhold/Sonntagsblatt für Steiermark

Von ihren Erfahrungen auf extrem langen und entbehrungsreichen Pilgerwegen nach Jerusalem, Santiago oder Rom hingegen berichteten der Theologe Franz Mali und Fritz Wenigwieser OFM, derzeit Provinzialminister der Franziskaner. Dabei wurden Rituale in sehr eingeschränkten Situationen sichtbar, sowohl im zwischenmenschlichen Umgang als auch bei Gottesdiensten. Im letzten Workshop standen Rituale im Zusammenhang von Exorzismen im Mittelpunkt. Die Religionswissenschafterin Nicole Bauer und der Neutestamentler J. Andrew Doole beleuchteten dieses sehr umstrittene Ritual der katholischen Kirche aus biblischer und humanwissenschaftlicher Perspektive.

Eine Liturgie in der Franziskanerkirche und ein Feuerritual umrahmten die gelungene Tagung, die von der Katholisch-Theologischen Fakultät, der Franziskanerprovinz Österreich und Südtirol sowie den Ordensspitälern in Graz in Kooperation mit dem Zentrum für Theologiestudierende, dem Bischöflichen Amt für Schule und Bildung, dem Sonntagsblatt für Steiermark, dem THEO-Club der Alumni Community Graz und der Theologische Fakultät der Universität Zagreb veranstaltet wurde.

DDR. Reinhold Esterbauer

Foto: Gerd Neuhold/Sonntagsblatt für Steiermark
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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