Erntedank - Caritas
Nächstenliebe geht durch den Magen

Ein Erntewagen voll mit Lebensmittelspenden für das Marienstüberl. „Die Menschen geben vom Besten, das sie ernten, an jene, die nicht ernten können.“ 
Philipp Friesenbichler vom Marienstüberl ist jedes Jahr überwältigt von diesem starken Zeichen des Zusammenhalts.
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  • Ein Erntewagen voll mit Lebensmittelspenden für das Marienstüberl. „Die Menschen geben vom Besten, das sie ernten, an jene, die nicht ernten können.“
    Philipp Friesenbichler vom Marienstüberl ist jedes Jahr überwältigt von diesem starken Zeichen des Zusammenhalts.
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Erntedank. Ein Anlass, um auch über die gerechte Verteilung von Lebensmitteln nachzudenken. MitarbeiterInnen der Caritas erzählen.

Ein Kreis von KollegInnen, eine Freundesgruppe oder auch ein Sportverein: Seitdem das Marienstüberl der Caritas in Graz seine Küche umgestaltet hat und Gruppen einlädt, für die Gäste zu kochen, haben hier schon zahlreiche Teams den Kochlöffel geschwungen. „Bei uns geht Nächstenliebe durch den Magen“, scherzt Philipp Friesenbichler, der das Marienstüberl gemeinsam mit Schwester Elisabeth leitet. „Wir bieten Menschen, die armutsbetroffenen Mitmenschen helfen möchten, eine Möglichkeit, aktiv zu werden.“ Caritas-Direktor Herbert Beiglböck sieht das Angebot auch als Einladung, sich mit der Lebensrealität anderer auseinanderzusetzen: „Unsere Gesellschaft driftet auseinander. Wir brauchen deshalb ganz dringend Möglichkeiten der Begegnung.“

Von „zu viel“ nach „zu wenig“
Für die meisten ist es ungewohnt, so große Mengen zu kochen – schließlich werden zu Mittag im Marienstüberl rund 160 Menüs ausgegeben, jeweils mit Vorspeise und Nachtisch. Für Philipp Friesenbichler dagegen ist es Alltag, mit großen Mengen an Lebensmitteln umzugehen. Denn neben dem Angebot der täglichen Mahlzeiten koordiniert er auch die Lebensmittelausgabe für armutsbetroffene Familien und Menschen, die für sich zu Hause kochen können. „Es sind durch die Corona-Krise deutlich mehr geworden, die unsere Hilfe annehmen“, schildert Friesenbichler seine Beobachtung.

Das Marienstüberl fungiert hier als Drehscheibe von „zu viel“ nach „zu wenig“: Freiwillige holen bei Supermärkten Waren ab, die nicht mehr verkauft werden können. Private Gruppen, Pfarren oder Einzelpersonen geben Lebensmittel ab, die sie selbst im Freundeskreis sammeln, oder auch überschüssige Ernte, die sie nicht verarbeiten können. „Ich hoffe immer, dass es uns gelingt, zu den Menschen die zu uns kommen, auch freundlich und aufmerksam zu sein. Es geht ja gerade darum, nicht nur das Lebensnotwendige auszuhändigen, sondern auch Wertschätzung zu vermitteln. Das ist nicht immer einfach“, räumt Friesenbichler ein, „schließlich herrscht oft Zeitdruck, und manchmal gibt es Erwartungen, die wir nicht erfüllen können. Denn wir können nur ausgeben, was wir selbst zu dem Zeitpunkt bekommen haben“.

Die Schwierigkeit, Not wahrzunehmen
Lebensmittelausgaben gibt es inzwischen auch außerhalb von Graz. Über die Pfarren, die regionalen Beratungsstellen zur Existenzsicherung der Caritas oder über die Schulsozialarbeit haben MitarbeiterInnen und Freiwillige des steiermarkweiten Caritas-Netzwerks einen Überblick über den steigenden Bedarf. „Das Schwierigste bei unserer Arbeit ist es, die Not wahrzunehmen“, sagt Caritas-Regionalkoordinatorin Maria Rottensteiner.

Daher bemüht sich die Caritas mit ihren Partnern, auf verschiedenen und oft auch diskreten Wegen einen Austausch herzustellen zwischen jenen, die etwas geben können und möchten, und auf der anderen Seite jenen, die etwas brauchen. So wächst das „Prinzip Marienstüberl“ mittlerweile weit über die ursprüngliche Adresse in Graz hinaus – als Ort des Ausgleichs zwischen Überfluss und Mangel.

Zu viel + zu wenig = Genug.


Die Spannung zwischen Überfluss und Mangel im Umgang mit Lebensmitteln stellt uns alle vor Herausforderungen, die Gerhard Hofbauer anzugehen weiß:

Gerade zu Erntedank haben viele Menschen auch das Bedürfnis zu teilen.
Auf welchem Weg kann ich das tun?
Geben ist eine Form des Dankens. Etwa über die Aktion Herz, bei der Menschen direkt in Spar-Supermärkten für andere mit einkaufen und Waren in Schütten abgeben. Diese werden dann in der betreffenden Pfarre an Bedürftige weitergegeben. In Graz selbst ist das Marienstüberl eine Anlaufstelle. Auch die Brot & Fisch-
Regale in den 33 Carla-Shops sind eine Möglichkeit zu teilen.

In der Erntezeit steht man sogar mit einem Balkongarten manchmal vor dem Problem, dass auf einmal mehr reift, als man verbrauchen kann.
Was kann man da tun?
Wir wollen besser werden beim Retten von Lebensmitteln. Mit Hilfe einer schnellen, flexiblen Gruppe von Ehrenamtlichen möchten wir in unserer neuen Küche im Marienstüberl solche Gaben verkochen und haltbar machen – als Suppen oder auch Hauptmahlzeiten im Glas, die wir
an Bedürftige geben. Auch in Form von Marmeladen oder Chutneys, die bei
Veranstaltungen gegen freiwillige Spende abgegeben werden.

Was heißt Nachhaltigkeit beim Thema Lebensmittel?
Nachhaltigkeit, vor allem im Bereich Lebensmittel, bekommt einen immer höheren Stellenwert in der gesellschaftlichen Diskussion und auch in der politischen Bewertung. Was an Überschuss täglich produziert wird, ist ja nahezu sündhaft. Wir wollen vermehrt auf die Produzenten zugehen, um gemeinsam mit ihnen nach Möglichkeiten zu suchen, nicht verkaufbare Produkte über unsere Schienen zu verwerten. Dabei denken wir z. B. auch an Ernteeinsätze von Freiwilligen. Und wir arbeiten an einem effizienten logistischen System, wie wir auch größere Chargen von Lebensmitteln rasch und in der richtigen Menge an jene Einrichtungen weitergeben können, die sie benötigen.


Erntedank im Marienstüberl

Gemeinschaftlich Danke sagen mit einem vollen Erntewagen.

Kürbisse und Gurken, Erdäpfel und Paradeiser, Eier und Marmelade, und alles in Hülle und Fülle: Einen schwer beladenen, festlich geschmückten Erntewagen übergibt die Pfarre Kirchbach jedes Jahr zu Erntedank dem Marienstüberl der Caritas. „Es ist unsere Art, gemeinschaftlich Danke zu sagen für alles, was wir ernten und was uns geschenkt ist“, erklärt Christian Schenk, Pastoralreferent der Pfarre. „Der Erntewagen hat nun schon Tradition bei uns in der Pfarre, es ist gemeinsames Zeichen der Dankbarkeit. Ich habe die Idee aus meiner Vorgänger-Pfarre mitgebracht, wo ich ehrenamtlich tätig war, als ich nach Kirchbach in den pastoralen Dienst kam. Es hat nicht viel gebraucht, die Menschen hier in der Pfarre dafür zu gewinnen. Sie wissen, die Gaben kommen dorthin, wo sie wirklich gebraucht werden. Und es machen wirklich alle mit – die Pfarrangehörigen, die Vereine, einfach alle. Am Land ist es selbstverständlich: Wenn man genug hat, dann gibt man etwas an die, die es nicht so gut haben. Und als einmal unsere eigene Ernte schlechter ausgefallen ist, haben die Menschen sogar etwas zugekauft, um unseren Erntewagen reichlich zu beladen.“

Philipp Friesenbichler, der den Wagen in Empfang nimmt, ist regelmäßig überwältigt. „Das ist ein ganz starkes Zeichen von Zusammenhalt und Solidarität“, sagt er. „Man sieht: Es geht nicht um Almosen, und es ist auch nicht die ‚B-Ernte‘, also das Aussortierte – sondern es ist wirkliches Teilen. Die Menschen geben vom Besten, das sie ernten,
an jene, die nicht ernten können. Und die Pfarre Kirchbach ist nicht die einzige. Wir erhalten von vielen Pfarrgemeinden Spenden. Ich bin ihnen so dankbar wie unseren Freiwilligen, die beim Sortieren und Ausgeben mithelfen. So können wir gemeinsam unsere Gäste und Familien an der Abholung mit frisch geernteten Lebensmitteln versorgen.“

So können Sie helfen
Lebensmittelabgabe im Marienstüberl
Kontakt: Philipp Friesenbichler,
0676/88015-8267
philipp.friesenbichler@caritas-steiermark.at
Eingang: Kleiststraße 73, 8020 Graz

Information zu Kochen im Marienstüberl
finden Sie unter www.marienstueberl.at/kochen-im-marienstueberl

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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