Weltkirche
Die Löwin von Lahore

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Bei ihrem Besuch in Österreich hat Katherine Sapna in der Sonntagsblatt-Redaktion Halt gemacht und vom schweren Leben vieler Christinnen und Christen in Pakistan erzählt.

Während Katherine Sapna von ihrer Arbeit erzählt, muss ich mehrmals schwer schlucken. In aller Direktheit schildert die 45-Jährige dramatische Lebensumstände von Glaubensgeschwistern. Christ zu sein ist in Pakistan für viele lebensgefährlich. Für Frauen und Kinder ist es besonders schlimm.
Katherine berichtet von jungen christlichen Frauen, teilweise gar noch minderjährig, die entführt, vergewaltigt und dann zu einer Ehe mit ihrem Peiniger gezwungen werden.

In Pakistan sind weniger als vier Prozent der Bevölkerung Christen. Staatsreligion ist der Islam. Offiziell herrsche Religionsfreiheit, sagt Sapna. Aber seit radikal-islamistische Gruppen in der Gesellschaft an Einfluss gewinnen, würden religiöse Minderheiten immer mehr in Bedrängnis kommen.

Im Jahr 2015 gründete Katherine Sapna daher gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Asher Sarfraz die Hilfsorganisation „Christians’ True Spirit“ (CTS). Mit einem Team von Anwälten unterstützen die beiden verfolgte Christinnen und Christen. Neben kostenloser juristischer Vertretung vor Gericht kümmern sie sich auch um psychosoziale Hilfe für Traumatisierte.

Und davon gibt es viele. Eine junge Frau, nennen wir sie Jaella, ist vor ihrem Ehemann geflohen. Er hatte sie entführen lassen, vergewaltigt und gezwungen, zum Islam zu konvertieren, damit er sie nach islamischem Recht heiraten konnte. Er nahm ihr das Handy weg und sperrte sie in seinem Haus ein. Als sie entkam, war sie im dritten Monat schwanger. Bei ihren Eltern konnte sie nicht bleiben, dort hätte ihr Ehemann sie gefunden. Also wandte sich Jaellas Familie an Katherine und bat um Hilfe.

In Lahore, der zweitgrößten Stadt Pakistans, wo Katherine Sapna lebt, betreibt ihre Hilfsorganisation auch ein Schutzhaus – eine Anlaufstelle für verfolgte und bedrohte Frauen und ihre Kinder. Derzeit leben dort 37 Frauen und 12 Kinder zwischen eineinhalb und 12 Jahren.
Auch Jaella hat in diesem Haus Aufnahme, Schutz und Hilfe gefunden. „Sie bleibt so lange, bis ihre Scheidung durch ist“, erklärt Katherine. Inzwischen hat Jaella ihr Kind geboren, einen Sohn. Sie wird ihn der Familie ihres baldigen Ex-Mannes überlassen. Um dann – so hofft sie – ein neues Leben anfangen zu können.

Auf der Flucht
Viele Christinnen und Christen in Pakistan schweben in Lebensgefahr, verstecken sich oder wechseln regelmäßig ihren Wohnsitz, erzählt Katherine weiter. Entweder weil sie aus Zwangsehen flohen oder we-
gen falscher Anschuldigungen angezeigt wurden und nun vor der Justiz auf der Flucht sind.
Schuld daran ist das umstrittene Blasphemie-Gesetz in Pakistan, erklärt sie. Es stellt alle Personen unter Strafe, die den Islam beleidigen. Auf Gotteslästerung steht entweder die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Problematisch sei, dass dieses Gesetz oft missbraucht werde, erklärt Asher Sarfraz, Katherines Lebensgefährte. Manche Leute würden es verwenden, um Menschen zu beschuldigen, selbst wenn diese gar nichts Falsches gesagt oder getan haben.

So ging es dem Mechaniker und Familienvater Ashfaqs Masih. Der 34-Jährige wurde eines Tages von der Polizei aus seiner Werkstatt in Handschellen abgeführt, ohne zu wissen, was er verbrochen hatte. Fünf Jahre saß er im Gefängnis, bis es zum Prozess kam. Katherine Sapna und ihr Anwälte-Team kämpfen an seiner Seite. „Löwin von Lahore“ wird Katherine nicht umsonst genannt. Regelmäßig besucht sie Ashfaqs im Gefängnis und bringt im Fotos von seiner Familie und Zeichnung von seiner Tochter mit.

Vergewaltiger gefasst
Eigene Kinder hat Katherine keine, aber 22 Adoptivtöchter, denen sie im Internat die Chance auf Bildung ermöglicht. Vielen Kindern christlicher Eltern steht sie mit ihrem Team von Christians’ True Spirit zur Seite. So auch bei einem ihrer letzten Fälle: ein sechsjähriges Mädchen, das letztes Jahr von einem Nachbarn vergewaltigt und mit lebensgefährlichen Verletzungen blutend liegen gelassen wurde. Das Kind hat knapp überlebt, wird aber nie eigene Kinder bekommen können, erzählt Katherine.
Mit ihrer Hilfe brachten die Eltern den Mann vor Gericht. Das Mädchen, schwer traumatisiert, schwieg. Unterstützt von Christians’ True Spirit bekam es psychologische Hilfe und konnte schließlich ihre Zeugenaussage auf Video aufnehmen. Der Mann wurde verurteilt und bestraft, erzählt Katherine nicht ohne Stolz.

Bibeln verbrannt
Doch ihre Miene verdunkelt sich schnell, als ihr Lebensgefährte von einem anderen Erlebnis erzählt. Ein islamistischer Mob habe kürzlich ein christliches Viertel heimgesucht, Häuser geplündert und angezündet und alle christlichen Zeichen wie Bilder, Bibeln oder Kreuze ins Feuer geworfen. Die BewohnerInnen konnten sich gerade noch in angrenzenden Feldern verstecken. Die Polizei sah zu, erklärt Asher. Und das sei nicht das einzige und erste Mal so.

Woher kommt dieser Hass auf Christen? Und gibt es keine Solidarität von muslimischen Menschen? Es sind wenige, so Sapna. Und wenn es hart auf hart kommt und sie zum Beispiel gegen andere Muslime aussagen sollen, ist der Druck der Community oft zu groß, erklärt sie.
Christinnen und Christen bekommen meist nur schlecht bezahlte Jobs, und Bildung ist teuer. So entsteht ein Teufelskreis, gegen den Katherine Sapna angeht. Was sie sich von den Menschen in Europa – konkret in Österreich – wünscht? Internationaler Druck und Gebet helfen immer, ist die Pakistanerin überzeugt. „Schreiben Sie Briefe an die Regierung!“, appelliert Katherine. „Und geben Sie den Christinnen und Christen Pakistans eine Stimme!“

Katharina Grager

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Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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