Stichwort: Friede
Über die Zäune hinaus

Die Herz-Jesu-Verehrung hat in Tirol Tradition und steht in enger Verbindung mit dem Frieden. 1796 weihte der Abt des Stiftes Stams Tirol dem „Heiligsten Herzen Jesu“, um göttlichen Beistand im Widerstand gegen die napoleonischen Truppen zu erhalten. | Foto: Schützenbund
  • Die Herz-Jesu-Verehrung hat in Tirol Tradition und steht in enger Verbindung mit dem Frieden. 1796 weihte der Abt des Stiftes Stams Tirol dem „Heiligsten Herzen Jesu“, um göttlichen Beistand im Widerstand gegen die napoleonischen Truppen zu erhalten.
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Das offene Herz Jesu kann helfen, das Denken mit geschlossenem Herzen zu überwinden und einen Frieden zu schaffen, der mehr ist als gewaltsame Eindämmung von Krieg.

Drum geloben wir aufs neue, Jesu Herz, dir ew’ge Treue!“ So der Refrain des Liedes „Auf zum Schwure, Volk und Land“. Dieses Lied steht im Zusammenhang mit der Tiroler Herz-Jesu-Verehrung, die auf die Ereignisse des Jahres 1796, als alles auf Krieg in Tirol hindeutete, zurückgeht. Das Land dem Herzen Jesu anzuvertrauen, um so gegen den Feind bestehen zu können, das wirkt wie aus der Zeit gefallen, obwohl die daraus folgende Strategie in der heutigen Situation so abwegig nicht ist.

Papst Franziskus stellt das Herz Jesu in den Mittelpunkt seiner jüngsten Enzyklika Dilexit nos. Ist das, was er darin entwickelt, ein Modell für den Frieden? Der sehr dichte Text, der ein intensives Studieren erfordert, führt meines Erachtens die Sache des Friedens über das Freund-Feind-Schema hinaus, um in der Liebe, mit der Gott uns zuerst liebt, den Grund für geschwisterliche Liebe zu gewinnen, aus dem heraus dann der Friede erwachsen kann.

Im Bild des geöffneten Herzens Gottes findet sich die Basis einer über das Menschliche hinaus auf Gott hin ausgerichteten Beziehung. In den Regungen des Herzens zeigen sich die Spuren Gottes in uns, die darauf zielen, sich bedingungslos zu verströmen auf den anderen und die Welt hin. In diesem Herzen lernen wir zu lieben, bedingungslos zu lieben.

Eine Zivilisation der Liebe aufbauen
Der Papst bringt in Anlehnung an Johannes Paul II. die Hoffnung zum Ausdruck, dass in den „von Hass und Gewalt angehäuften Trümmern die so sehr ersehnte Zivilisation der Liebe errichtet werden kann, das Reich des Herzens Christi.“ Das beinhaltet natürlich, dass wir in der Lage sein müssen, „die kindliche Liebe zu Gott mit der Liebe zum Nächsten zu vereinen.“ Wir sind aufgefordert, in einer Welt, die von Strukturen der Sünde gekennzeichnet ist, eine neue Zivilisation der Liebe aufzubauen. Franziskus gibt zu bedenken, dass in der Katastrophe, die das Böse hinterlassen hat, „das Herz Christi unserer Mitwirkung beim Wiederaufbau des Guten und Schönen“ bedarf.

Ist das nicht Überforderung und weltfremdes Gerede? Eine Heilung der sozialen und politischen Verwerfungen von heute unter das Vorzeichen geschwisterlicher Liebe zu stellen, bedeutet, über die Trennungen hinauszugehen. In den Worten des Papstes: „Wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen.“

Was kann das in Bezug auf den Frieden bedeuten? Friedensvorstellungen gehen nicht nur in Kriegssituationen – vereinfachend gesprochen – oft davon aus, dass Macht und Gewalt eingesetzt werden müssen, um Frieden zu erreichen. Friede steht damit unter den Vorzeichen von Gewalt. Und das ist in der konkreten Situation auch notwendig. In den heutigen Bedingungen wird aber die alte Aufforderung „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“ teilweise noch weiter zugespitzt auf: „Wenn du den Frieden willst, führe Krieg!“

Wenn solches in der gegebenen gesellschaftlichen und politischen Ordnung auch berechtigt zu sein scheint, ist es aber doch kein Modell, das über den mit Gewalt abgesicherten Zustand einer prekären Eindämmung von Gewalt – so wichtig dies für den Moment wäre – hinaus Frieden verwirklichen kann. Dieses Denken mit geschlossenem Herzen befähigt uns nicht, über die Trennungen und Zäune hinauszudenken. Es bedarf eines geöffneten Herzens, wie es im Herzen Jesu symbolisiert ist. Das führt an die Zäune und über sie hinaus.

Nicht nur innerhalb der Zäune denken
Ein Löwe wurde gefangen und in ein Löwengehege gebracht. Dort traf er viele andere Löwen an, die Gruppen bildeten. Die einen waren religiös, sie sangen Lieder von Erlösung, von einem künftigen Lebensraum ohne Zäune. Andere erinnerten an Zeiten, als es noch keine Zäune gegeben hatte. Manche schlossen sich zu Gruppen zusammen, die andere bekämpften, um sich selbst zu befreien, wieder andere wandten sich gegen die Wärter. Da bemerkte der Neuangekommene einen nachdenklichen alten Löwen. Dieser einsame Löwe warnte ihn davor, sich einer Gruppe anzuschließen, da sich diese um alles kümmern würden, nur nicht um das Wesentliche: „Über die Art des Zaunes nachzudenken.“

Der Papst fordert uns in der Enzyklika
Dilexit nos dazu auf, den Blick auf die grundsätzlichen Zäune zu lenken, die einem umfassenden Frieden entgegenstehen. Wir sollen uns nicht mit Gestaltungen des Friedens innerhalb dieser Zäune zufrieden geben, um den Zugang zu einem Frieden gemäß der Strategie „Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor“ zu gewinnen. Die Basis dazu ist die Liebe, die aus dem geöffneten Herzen strömt. Wie können wir diese für unser Tun bestimmend machen?

Leopold Neuhold

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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