Papst Benedikt XVI. 1927-2022
Stimmen zum Tod von Papst Benedikt XVI.

Benedikt XVI. und Bartholomaios I., orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, am 30.11.2006 im Ökumenischen Patriarchat in Istanbul.
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  • Benedikt XVI. und Bartholomaios I., orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, am 30.11.2006 im Ökumenischen Patriarchat in Istanbul.
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Ion Moga, rumänisch-orthodox
Erneuerung und Traditionsverbundenheit

Ion Moga war für einige Jahre Mitglied des „Neuen Schülerkreises Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.“ Bei der intensiven Auseinandersetzung mit dessen theologischem Werk „hat mich am meisten die Synthese von inniger, menschlicher Demut und theologischer Schärfe beeindruckt“, so Moga: „Ein lebendiger Inbegriff des kreativen Miteinanders von Spiritualität und akademischer Theologie. Ein Katechet, ein christlicher Lehrer im wahrsten Sinne des Wortes.“
Als Orthodoxer habe er Benedikts theologisches Programm als das „eines Erneuerers aus dem Geist der Kirchenväter“ verstanden.
Dass durch die theologische Entwicklung – vor allem innerhalb der deutschsprachigen römisch-katholischen Theologie – Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. zum Symbol des Rückschritts oder gar des starren Konservatismus hochstilisiert wurde, „tut nicht nur seinem Werk, sondern auch der Komplexität der neueren Theologiegeschichte unrecht“.
Für viele Orthodoxe war das Denken Ratzingers „eine Brücke zur westlichen Theologie, eine Hilfe, alte Vorurteile abzubauen“.
Das Fazit des orthodoxen Theologen zu dem, was von der theologischen Gestalt Joseph Ratzingers/Papst Benedikts XVI. bleiben wird: „eine Hermeneutik der Kontinuität, die ihren Platz im theologischen Diskurs haben soll; die Gabe, die kompliziertesten Themen der Theologie einfach und dennoch nicht vereinfachend wiederzugeben; und – nicht zuletzt – die existenzielle theologische Demut.“
KAP

Stimmen aus dem Judentum
Benedikt hat den Dialog fruchtbar angeregt

Er war eine historische Persönlichkeit und ein großer Theologe, der sich und seinem Amt stets treu geblieben ist und auch mit umstrittenen Positionen, etwa zum jüdisch-christlichen Dialog, die religiöse und interreligiöse Debatte fruchtbar angeregt hat“, hieß es am 31. Dezember in einer Erklärung der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland. Benedikt XVI. habe stets die Nähe zur jüdischen Gemeinschaft gesucht.
Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner und frühere Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, erklärte: „Papst Benedikt XVI. war ein großer Theologe, für den die Beziehung zum Judentum von wesentlicher Bedeutung für seinen Glauben war.“ Auch nach seiner Emeritierung habe er den Dialog mit den Rabbinern Europas fortgesetzt, insbesondere über die Frage, welche religiöse Bedeutung die Rückkehr der Juden in ihre Heimat nach zwei Jahrtausenden im Exil für die Katholiken hat. Benedikts Dialogbereitschaft mit der jüdischen Gemeinschaft bezeichnete Goldschmidt als Fortsetzung der Öffnung durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965).
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte, Benedikt habe einen intensiven Austausch mit Vertretern der jüdischen Gemeinschaft gepflegt. „Als Mensch von Geist und Wort war ihm wichtig, dass dieser Dialog nicht nur um des Dialoges willen geführt wurde – er musste Inhalt und Zweck haben. Für diesen Einsatz bleibe ich ihm dankbar.“
KAP

Benedikt XVI. hat sich von seinen Prinzipien und seinem Glauben leiten lassen. Möge seine Konzentration auf den Dienst der Nächstenliebe weiterhin eine Inspiration für uns alle sein.

US-Präsident Joe Biden

Die Mission des emeritierten Papstes ist es gewesen, Gerechtigkeit, Frieden und Annäherung zwischen den Völkern und Religionen zu erreichen.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas

Der emeritierte Papst hat durch seine neutrale und diskrete Vermittlung in zahlreichen Krisensituationen die Außenpolitik des Heiligen Stuhls nachhaltig geprägt.

Alexander van der Bellen,
Bundespräsident

Kardinal Christoph Schönborn
Benedikt hat mit Rücktritt Papsttum vermenschlicht

Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Rücktritt 2013 das Papsttum vermenschlicht“, so Kardinal Christoph Schönborn.
Das theologische Schaffen des Papstes, gebündelt in bisher 15 Bänden, sei ein „Meisterwerk der Theologie“, so Schönborn. Benedikt werde aber nicht nur als Theologe, sondern auch als Papst, der stets Brücken bauen wollte, in Erinnerung bleiben.

Freilich: Diese Brücken müssten auf den „Pfeilern der Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit“ stehen. Das bleibe als Erbe des verstorbenen Papstes für die Zukunft bestehen.
Auf den Missbrauch in der Kirche angesprochen, erinnerte Schönborn an die „Causa Groer“. Die vatikanische Kurie habe damals gebremst, als es darum ging, Untersuchungen gegen Kardinal Hans Hermann Groer durchzuführen. Kardinal Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, habe sich aber entschieden für solche Untersuchungen eingesetzt und mit der Einrichtung eines eigenen Gerichtshofs für schwere Missbrauchsfälle in der Glaubenskongregation ein deutliches und wegweisendes Zeichen gesetzt.
Benedikt XVI. habe zudem auch nie gezögert, eigene Fehler einzugestehen, „und das ehrt ihn auch“, so Schönborn: „Benedikt XVI. hat immer für die Wahrheit plädiert, in der Theologie, in der Gesellschaft und auch was den Missbrauch betrifft.“

Persönlich sei er dem Verstorbenen zutiefst verbunden gewesen, betonte Schönborn einmal mehr. Er habe ihn zuerst als wunderbaren Lehrer und später wunderbaren Vorgesetzten erlebt, so Schönborn, der Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. als „großen Meister“ bezeichnete. Die persönlichen Begegnungen mit Benedikt XVI. seinen immer sehr herzlich und auch humorvoll gewesen, so der Wiener Erzbischof weiter. Das letzte Mal habe er den nun Verstorbenen 2019 persönlich getroffen.
Joseph Ratzinger sei eigentlich ein sehr scheuer Mensch gewesen, erinnerte Schönborn. Umso überraschender seien dann von Anfang an seine Gesten der offenen Hände gewesen. Das Papstamt habe es ihm ermöglicht, auf die Menschen zuzugehen. Benedikt XVI. habe zudem sehr viel Güte ausgestrahlt, „und er hat viele Bewunderer bis heute“.

Kardinal Christoph Schönborn und Erzbischof Franz Lackner würdigen Papst Benedikt XVI. als „gewaltig großen Theologen“.  | Foto: Bischofskonferenz
  • Kardinal Christoph Schönborn und Erzbischof Franz Lackner würdigen Papst Benedikt XVI. als „gewaltig großen Theologen“.
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Erzbischof Franz Lackner
Danke für Glaubenszeugnis und Liebe zur Kirche

Joseph Ratzinger/Papst Benedikt sei in allen ihm übertragenen Aufgaben – vom Professor und Erzbischof bis hin zum Kardinal und Papstamt – stets ein „gläubiger Theologe mit einem tiefen und feinen Gespür für Wahrheit“ geblieben, schrieb der Salzburger Erzbischof und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, in einer ersten Reaktion auf die Nachricht des Todes. Als sein Vermächtnis bleibe vor allem „seine Liebe zur Kirche und ihrer Lehre“, habe er sich doch immer darum bemüht, „den Glauben der einfachen Gläubigen zu schützen und zu bewahren“.

Besonders wies Lackner auf das „gewaltige theologische Schrifttum“ hin, das Benedikt XVI. hinterlasse. „Vieles wird wohl erst noch zu verstehen sein; dazu bedarf es jedoch, wie er es seiner Jesus-Trilogie vorausstellt, des Wohlwollens, ohne welches das Verstehen nicht möglich ist“, so der Salzburger Metropolit, der bekannte, bei Predigt-Vorbereitungen immer wieder bei Ratzinger-Werken nachzuschlagen, allen voran bei der Jesus-Biografie.

Durchaus sei Benedikt auch für Überraschungen gut gewesen, verwies der Salzburger Erzbischof an den im Februar 2013 verkündeten Rücktritt des damaligen Papstes. So wenig man diesen Schritt zunächst auch verstanden habe, habe Benedikt XVI. damit dennoch das Papstamt „auf unvorstellbare Weise“ verwandelt und in das 21. Jahrhundert hineingeführt.

Lackner erinnerte in seinem Nachruf auch an die oftmaligen Begegnungen mit Benedikt XVI., erst zuletzt am 17. Dezember, einen Tag nach Abschluss des Ad-limina-Besuchs der österreichischen Bischöfe in Rom. Damals durfte der Salzburger Erzbischof mit dem emeritierten Papst die heilige Messe feiern. „Seine Stimme war schwach, seine Aufmerksamkeit jedoch groß. Die Themen unseres Gesprächs waren Philosophie, Theologie und die Geschichte des Glaubens im Leben der Menschen“, berichtete Lackner. Damals wie auch schon bei jeder Begegnung davor habe er sich bei dem früheren Papst bedankt mit: „Danke, Heiliger Vater, für Ihr Zeugnis und besonders für Ihr theologisches Schrifttum.“

Joseph Ratzinger hat mit großem Scharfsinn und intellektueller Prägnanz theologische Beiträge geleistet, die die Christenheit und die Öffentlichkeit beeindruckt haben.“

Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

„Also santo subito?“
– „Ich glaube, dass es in diese Richtung gehen wird.“

Erzbischof Georg Gänswein, langjähriger Sekretär von Papst Benedikt XVI.

Ein Moment der Wertschätzung gegenüber der evangelischen Tradition war der Besuch Benedikts 2011 im Augustinerkloster Erfurt, wo einst Martin Luther lebte und wirkte.

Michael Chalupka, evangelisch-lutherischer Bischof in Österreich

Bischof Egon Kapellari
Benedikt wirkte „komplementär zu Franziskus“

Der frühere steirische Diözesanbischof Egon Kapellari hat den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. als „unbestreitbar großen Theologen und geistigen Meister aus Deutschland“ gewürdigt. In Ratzingers Biografie stünden die Begriffe „Größe“ und „Grenze“ in Spannung, erklärte der Bischof, der auch auf Kritik an Ratzinger einging. Im deutschen Sprachraum dominiere in der Auseinandersetzung um den Reformprozess „Synodaler Weg“ zwar Enttäuschung über Ratzingers Leben und Wirken, doch gebe es auch „niveauvolle Kritik an solcher Kritik – und manche Enttäuschung wird später als Befreiung von Täuschung erfahren werden“, betonte Bischof Kapellari in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress und der „Kleinen Zeitung“.

Als Theologe, Kardinal und später Papst habe Benedikt gegen einen von manchen Beobachtern festgestellten „Abschied der Welt vom Christentum“ gewirkt – und zwar in komplementärer, sich ergänzender Form zu seinem Nachfolger Papst Franziskus, befand Kapellari. Franziskus stelle sich mutig den heutigen krisenhaften Spannungen der Menschheit, wobei er manchmal erfolgreich sei, manchmal nicht. Mit seinen „prophetischen“ Gesten, wie etwa dem Gebet zu Beginn der Corona-Zeit auf dem leeren Petersplatz, entspreche Franziskus einem „zentralen Anliegen Benedikts“.

Einmal habe er den Papa emeritus „entmutigt“ erlebt, schrieb Bischof Kapellari – nämlich im August 2016, als er und Mitglieder des Ratzinger-Schülerkreises Benedikt XVI. in den Vatikanischen Gärten trafen. Anlass dazu gegeben hätten die Berichte über Krisen im kirchlichen Leben Deutschlands. Er, Kapellari, habe damals gegenüber Ratzinger – ohne etwas schönreden zu wollen – auf ein Wort des Propheten Jesaja verwiesen: „Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es noch nicht?“ Es könne als ein „Leitwort auf dem Weg in die Zukunft der Kirche, die schon begonnen hat“, verstanden werden.
Schon davor war Kapellari laut seinen Angaben Benedikt XVI. immer wieder begegnet – in Rom sowie auch in Mariazell am 8. September 2007, als er Grazer Diözesanbischof und somit Gastgeber beim Papstbesuch war. Zum damaligen Festgottesdienst seien 40.000 Menschen bei katastrophalem Wetter gepilgert, erinnerte der emeritierte Bischof. Über Kapellaris Bemerkung „Wir feiern trotzdem nicht Maria Schnee, sondern Maria Geburt“ habe Benedikt XVI. damals geschmunzelt, sei er doch „begabt zu freilich sanftem Humor“ gewesen.

Joseph Ratzinger besuchte Österreich immer wieder, so mit seinem Bruder Georg auch den damaligen Kärntner Diösesanbischof Egon Kapellari. | Foto: Eggenberger
  • Joseph Ratzinger besuchte Österreich immer wieder, so mit seinem Bruder Georg auch den damaligen Kärntner Diösesanbischof Egon Kapellari.
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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