Synodaler Prozess
Mit dem Herzen hören

Die vorsynodale Versammlung der Katholischen Kirche Steiermark wurde coronabedingt online abgehalten. Mehr als 120 Menschen trafen sich virtuell zu Austausch und Gespräch.
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Die Kirche ist auf dem Weg – in der Steiermark und weltweit. Über die vorsynodale Versammlung.

Am Samstag, 5. Februar, liefen die Internetleitungen und Kopfhörer-Kabel in über hundert steirischen Haushalten heiß, denn Bischof Wilhelm Krautwaschl hatte zur vorsynodalen Versammlung geladen. Was eine Tagesveranstaltung für rund 120 Teilnehmende auf Schloss Seggau werden sollte, wurde coronabedingt ein Tag vor den Bildschirmen.
Für Struktur und guten Ablauf sorgte das Vorbereitungsteam Stefanie Schwarzl-Ranz, Elisabeth Reicher-Spreitzhofer und AndreasPichlhöfer, mit ihnen Tamara Strohmayer und Lisa Stefan als technische Unterstützung und viele weitere helfende Hände, die zum schriftlichen Festhalten des Besprochenen beitrugen. Bernhard Possert führte durch den Tag. Als Co-Moderatorin und geistliche Begleiterin brachte Marlies Prettenthaler-Heckel die geistliche Dimension über die Bildschirme und stimmte mit Texten, Musik und zentrierenden Übungen alle auf das Hören in den drei Dimensionen – auf einen selbst, den Mitmenschen und Gott – ein.

Was in der Luft liegt
Die Themen des Tages ergaben sich vor allem aus den über 1700 Rückmeldungen auf die Erhebung, die von Oktober 2021 bis Jänner 2022 in der Diözese per Einzel- und Gruppenfragebögen und Interviews durchgeführt wurde. „Es war uns wichtig, in dieser Konsultationsphase alle Rückmeldungen, seien es Briefe, E-Mails, Telefonate, Gespräche, … in ihrer ganzen Bandbreite wahrzunehmen und in die Vorbereitungen einfließen zu lassen“, so Elisabeth Reicher-Spreitzhofer. Erfreut zeigte sich Andreas Pichlhöfer auch über viele Reaktionen von Menschen, die nicht im „inneren Kreis“ der Kirche aktiv sind. Gut ein Drittel gaben beim Fragebogen an, kirchlich nicht engagiert zu sein. „Dies alles zu hören ist extrem wichtig“, ist Bischof Wilhelm Krautwaschl überzeugt. Es bestärke ihn in der kirchlichen „Kernaufgabe“, nämlich „die frohe Botschaft zu den Menschen zu bringen, die so wertvoll für alle sein kann“. Stefanie Schwarzl-Ranz erklärte, dass „der gesamte Prozess niemals nur in Themen- oder Fragestellungserhebungen enden sollte“, und sah diesen Tag als Chance, „Synodalität als Haltung einzuüben“. Zu folgenden acht Themen fanden sich schließlich Kleingruppen zum Gespräch:

Synodalität: Haltung, Strukturen, Praxis
Die Diözese Graz-Seckau verpflichtete sich im Zuge der laufenden Kirchenentwicklung dazu, Synodalität in ihrem Handeln sichtbar zu machen. Voraussetzung dafür seien die entsprechende innere Haltung sowie die strukturelle Ausgestaltung der Gremien. Dabei stehe die Katholische Kirche in der Steiermark noch am Anfang eines langen Weges. Die Rückmeldungen aus der Konsultationsphase zeigten, dass die derzeitigen Gremien in der Diözese wenig anschlussfähig für die breite Öffentlichkeit seien.
Daher waren die Kleingruppen bei der vorsynodalen Versammlung unter anderem auf der Suche nach zeitgemäßen Formen für ein synodales Miteinander, überlegten, wie man eine synodale Haltung einübt und welche Herausforderungen dabei gegenwärtig wahrgenommen werden.

Unsere Sendung als Kirche in der Welt
Für wen soll sich die Kirche einsetzen? Für welche (gesellschaftlichen) Themen braucht es eine deutliche Stimme der Kirche? Umwelt- und Klimawandel wurden dabei in der Erhebung ebenso genannt wie Migration, soziale Gerechtigkeit, Randgruppen, wirtschaftliche und psychische Herausforderungen und die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Die Gesprächsgruppen sammelten und diskutierten, wo Kirche ihrem Sendungsauftrag bereits gerecht wird und wo noch nicht.

Im Gespräch bleiben
Das Thema der gesellschaftlichen Spaltung, verstärkt in der Zeit der Pandemie, liegt in der Luft. Ein Großteil der Befragten äußerte dazu Sorgen. Die Frage, welchen Beitrag die Katholische Kirche in der Steiermark und alle christlichen Konfessionen und verschiedenen Religionsgemeinschaften gemeinsam gegen gesellschaftliche Spaltungstendenzen leisten können, stellten sich die TeilnehmerInnen der vorsynodalen Versammlung und sollten sich alle Kirchen und Religionen immer wieder neu stellen.
Wie es im innerkirchlichen Raum gelingen kann, bei unterschiedlichen Meinungen im Gespräch zu bleiben, ohne sich gegenseitig das „Katholisch-Sein“ abzusprechen, konnte bereits in diesem Gesprächsformat geübt werden. Das Aushalten von Verschiedenheiten schien großes Gesprächsthema in vielen Kleingruppen gewesen zu sein.

Beteiligung
Die Befragung machte deutlich: Die Möglichkeit zur Beteiligung in der Kirche ist ungleich gewichtet. Einzelpersonen und Gruppen seien außen vorgelassen: vor allem Kinder, Menschen mit Migrationshintergrund, sozial/finanziell Benachteiligte und Menschen mit Behinderung. Unter dem Vorzeichen, wie in der Kirche Beteiligung gestaltet werden kann, damit die genannten Personengruppen mitgestalten können, wurden viele praktisch umsetzbare Vorschläge gesammelt und diskutiert. Doch nicht nur die Machbarkeit von Inklusion, auch die Offenheit im Denken sei Übungssache, wurde festgestellt.

Ausgegrenzt – in und außerhalb der Kirche
Zur Feststellung „Kirche grenzt aus“ wurden unterschiedliche Aspekte der Ausgrenzung in und außerhalb des kirchlichen Raums besprochen: Ausgrenzung durch bestimmte Teile der kirchlichen Lehre, Regelungen, Stellungnahmen offizieller Kirchenvertreter oder das Handeln einzelner Personen. Besonders betroffen sind Frauen ebenso wie Personen, deren Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen von zweigeschlechtlichen und heterosexuellen Normen abweichen (LGBTIQ-Community). Auch ehemalige Priester, die ihr Amt aufgrund einer Beziehung zurückgelegt haben, wurden genannt. In der Diskussion ging es unter anderem um die Sensibilität kirchlichen Handelns, die Notwendigkeit, sich als Kirche an gesellschaftlichen Diskussionen zu beteiligen und gleichzeitig sich auch von außen anfragen zu lassen.

Die Rolle der Frauen
In Bezug auf Handlungs- und Veränderungsbedarf innerhalb der Kirche wurde sehr häufig die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen und Männern genannt. Auch Frauen sollte der Zugang zur Weihe und verstärkt zu Führungspositionen ermöglicht werden, meldeten die Befragten unabhängig von ihrem eigenen Geschlecht zurück. In den Gesprächsgruppen wurde erörtert, welchen Beitrag die Katholische Kirche in der Steiermark zu einem zeitgemäßen Frauenbild innerhalb der Kirche leisten und wie sie Frauen sichtbarer machen kann. Auch und nicht nur in dieser Gruppe wurde über die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern diskutiert.

Priester – Rolle und Rahmen
Menschen schätzen den Priester vor Ort und erwarten sich von ihm Zeit für die Seelsorge, aber da die Anforderungen (große Räume, viele Aufgaben) stetig steigen, würden oft die Ressourcen fehlen. In dieser Gesprächsgruppe wurde, nicht nur unter Priestern, über Möglichkeiten der Entlastung gesprochen, um Belastungssituationen entgegenzuwirken. Auch die Rahmenbedingungen für den Priesterberuf, die Priesterausbildung und der Priestermangel waren im Gespräch. Die Gefahr, bei einer bestimmten Thematik in der Mangelperspektive stecken zu bleiben, war in mehreren Gruppengesprächen zu beobachten. Dagegen richtete sich die gegenseitige Bestärkung, das Schlechte anzusprechen, aber das Gute dabei nicht zu vergessen.

Wie Gottesdienst feiern?
Das Zukunftsbild der Katholischen Kirche Steiermark formuliert: „Wir setzen auf Qualität und Vielfalt“. Damit sei das kirchliche Wirken insgesamt genauso gemeint wie der Bereich Gottesdienst. Die Frage nach der Qualität der Gottesdienste sei eng verknüpft mit der Frage danach, wie heute zeitgemäß Gottesdienst gefeiert werden kann – im Blick auf Verständlichkeit, liturgische Sprache, Predigt, Riten u. v. m. An Hand der Fragen, was Qualität im Gottesdienst und zeitgemäß zu feiern bedeutet, wurden in diesen Gesprächsgruppen Erfahrungen und Meinungen ausgetauscht. Viele Ideen und Anregungen konnten festgehalten werden, damit auch auf weltkirchlicher Ebene Veränderungen angestoßen werden können, die ein zeitgemäßes Gottesdienstfeiern leichter möglich machen.

Am Ende des Tages
Damit man zuhören kann, muss jemand reden, brachte ein Teilnehmer die beiden komplementären Aufgaben der Anwesenden auf den Punkt. Die vorsynodale Versammlung zeigte im Reden und Zuhören, dass die Katholische Kirche in der Steiermark vielgestaltig und bei weitem nicht in allem einer Meinung, aber so gut es geht miteinander im Gespräch und im Glauben verbunden ist.
Neben dem Üben des Aushaltens von Verschiedenheiten bot der Tag auch eine Fülle an konkreten Vorschlägen im Blick auf Liturgie, Besetzung von Gremien, Möglichkeiten in der Seelsorge, Beteiligung von Laien u. v. m. All das Zusammengetragene soll nun weiterbearbeitet zum einen in das Österreich-Papier für Rom einfließen, zum anderen aber auch in der Steiermark weiterwirken. „Wir wurden vom Synodensekretariat des Vatikans gebeten, unsere Ergebnisse nicht zu glätten, sondern die Meinungen des Volkes Gottes weiterzugeben“, verspricht Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl maximale Transparenz.
Eine Erfahrung, die wohl alle Teilnehmenden dieses Tages teilen können: Das Gespräch hat gerade erst begonnen. Und es wäre sicher vielen eine Freude, es weiterzuführen – in einem Klima, in dem man offen sprechen kann, weil man weiß: Das Herz hört mit.

Katharina Grager

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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