Keine Fake-News in Betlehem
Jesus, Maria und Josef, die Engel und die Hirten: eine kleine biblische Spurensuche anhand der Einheitsübersetzung. Die Weihnachtsgeschichte enthält beim genaueren Hinsehen viele biblische Anklänge und damit mehr Wahrheiten, als man heute oft annehmen will.
Stefan Kronthaler
Die beiden theologisch geprägten Geburtserzählungen im Matthäus- und Lukasevangelium sind auch historisch relevante Schriften, geschrieben mit den sprachlichen Möglichkeiten der damaligen Zeit.
Zu Weihnachten 1223, also vor genau 800 Jahren, hat der hl. Franz von Assisi in dem kleinen Dorf Greccio in Umbrien die Ereignisse von Betlehem mit echten Menschen und Tieren dargestellt, so wie er die Weihnachtsgeschichte damals verstanden hat. Ochs und Esel, wie Franz sie dazustellt, finden sich allerdings nicht in den Kindheitsgeschichten des Matthäus und Lukas. Franz meinte wohl, dass die „Futterkrippe“ (Lukasevangelium 2,7) nur in einem Stall stehen konnte, daher die beiden Tiere. Allerdings, und da lag Franz schon richtig, wurden Ochs und Esel schon sehr früh in Wandmalereien in den Katakomben dargestellt.
Maria – sie wusste sehr viel
Wie kamen die beiden Evangelisten Matthäus und Lukas zu ihrem Wissen über die sogenannten Kindheitsgeschichten, also über die Kindheit Jesu? Was der Evangelist Lukas am Anfang seines Evangeliums schreibt, gilt wohl auch für Matthäus. Lukas (1,1–4) schreibt dem Theophilus, der für die Verbreitung des Lukasevangeliums sorgte: „Schon viele haben es unternommen, eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin, es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.“
Je größer der Abstand zu Tod und Auferstehung Jesu wurde (im Jahr 30), desto mehr wollten die ersten Christen und auch spätere Generationen über Jesus wissen und hören. Matthäus und Lukas sammelten und ordneten, was ihnen erzählt wurde und was damals an „Jesus-Geschichten“ im Umlauf war. Sie schrieben jeweils eine theologisch gefärbte Jesus-Erzählung, keine Reportage im heutigen Sinn.
Eine, die am besten über die Kindheit Jesu Bescheid wusste, war nach der Auferstehung in Jerusalem bei den Aposteln und den ersten Jüngern und Jüngerinnen Jesu: Maria, die Mutter Jesu. Denn die Urgemeinde war im sogenannten „Obergemach“ in Jerusalem versammelt (Apostelgeschichte 1,13–14), „zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu“. Schon in der Kindheitsgeschichte schreibt Lukas zwei unauffällige, aber wichtige Verse, die Maria, die Mutter Jesu, zur späteren wichtigen Augen- und Ohrenzeugin machen: „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lukas 2,19) und: „Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen“ (Lukas 2,51).
Jesus – zu Betlehem geboren
Jesus wurde in den Jahren 8 bis 6 vor Christus geboren. Denn bei seiner Geburt lebte noch König Herodes der Große, der im Jahr 4 vor Christus gestorben ist. Der Ort der Geburt war Betlehem, wie der Evangelist Lukas berichtet (Lukas 2,4–7): „So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“
Warum gerade zur Volkszählung zwecks Steuereinhebung nach Betlehem? Manche Theologen und Theologinnen schließen nicht aus, dass Maria selbst vielleicht ein Stück Land in Betlehem besessen hat. Dann hat nicht sie Josef begleitet, sondern Josef hat die hochschwangere Maria begleitet – von Nazaret nach Betlehem. Ansonsten hätte, wenn Josef Grundbesitz gehabt hätte, die hochschwangere Maria die beschwerliche Reise nach Betlehem nicht mitmachen müssen.
Aber ausschlaggebender ist eine andere biblische Tatsache: Betlehem war die Stadt, in der David geboren wurde, also „die messianische“ Stadt schlechthin. Jesus, der Messias, der Christus, der Sohn Davids, „musste“ folglich in der gleichen Stadt wie der König David geboren werden, also in Betlehem und nicht im damals noch unbedeutenderen Nazaret. Die Geburtskirche in Betlehem, die später über der Grotte (mit dem vierzehnzackigen Stern aus dem 18. Jahrhundert) errichtet wurde, ist übrigens die älteste ununterbrochen verwendete Kirche der Christenheit.
» Jesus, der Messias, der Sohn Davids, musste in der gleichen Stadt wie König David geboren werden,
also in der messianischen Stadt Betlehem. «
Josef – ein guter „Vater“ für Jesus
Er hat es nicht leicht: Josef, der Ziehvater Jesu. Manche vermuten, dass er selbst schon Witwer war, als er die schwangere Maria geheiratet hat, daher die später sogenannten „Brüder Jesu“ aus Josefs erster Ehe. Zum Zeitpunkt seines öffentlichen Auftretens wird Jesus im Markusevangelium (6,3) sogar „Sohn der Maria“ genannt. War Maria zu diesem Zeitpunkt bereits selbst Witwe? Denn sonst wäre Jesus wohl „Sohn des Josef“ genannt worden. Josef hat Jesus nachhaltig geprägt und geformt. Denn Jesus spricht in seinen Gleichnissen und Erzählungen von Gott als einem barmherzigen, liebenden und gütigen Vater. War Josef für Jesus selbst solch ein Vater?
Matthäus überliefert Wissenswertes über Josef (1,19–24): „Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. … Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“
Welchen Beruf übte Josef aus? „Zimmermann“, so lautet oft die schnelle Antwort. Aber Josef und dann auch Jesus waren weit mehr: Sie waren „Bauhandwerker“. Heute würde man sagen: „Allrounder“, die mit Holz, Stein und sogar Metall umgehen konnten. Vielleicht haben beide auch im nahen
Sepphoris auf den Baustellen gearbeitet, einer „heidnischen“ Stadt, die übrigens in der ganzen Bibel nicht genannt wird.
Aber – keine „stille“ Nacht
Leise ging es laut dem Evangelisten Lukas in dieser „stillen Nacht“ in Betlehem gar nicht zu. Nicht die bis auf die Zähne bewaffneten Legionen des römischen Kaisers Augustus bewachen den neugeborenen Friedenskönig, sondern Gottes himmlische Streitmacht tritt auf. Denn als der Engel den Hirten die Geburt Jesu verkündet, spielt es sich im wahrsten Sinn des Wortes ab, so Lukas (2,13–14): „Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“.
Gleich ein „großes himmlisches Heer“ tritt auf, die ganze Armee Gottes ist im Einsatz in Betlehem, wie Simone und Claudia Paganini in ihrem Buch „Von wegen Heilige Nacht“ schreiben. Adressaten sind die „Hirten“, die bei ihren Tieren „Wache halten“ und dann das neugeborene Kind bewachen werden. Sie handeln und eilen los, so Lukas (2,15): „Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!“
Hirten waren in der Antike die gefragten „Scharfschützen“, denn sie konnten perfekt mit der Steinschleuder umgehen. Der bekannteste biblische Scharfschütze ist der Hirtenjunge David, der den riesigen Goliath auf diese Weise mit der Steinschleuder tötet. Die Engel kehren in den Himmel zurück, die Hirten werden in dieser Nacht dann die irdische Sicherheitstruppe des neugeborenen Jesus-Kindes. Und sie werden zugleich die ersten Verkünder der frohen Botschaft, weiß Lukas (2,20): „Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war.“
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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