Himmlische Wegweiser
Ob nach Lourdes, Fatima oder Medjugorje. Jährlich pilgern Millionen Christen zu Stätten von „Privatoffenbarungen“. Was „offenbaren“ uns solche Stätten?
Offenbarung bedeutet zunächst ganz einfach: Etwas erkennen, was bisher im Verborgenen geblieben ist. Im christlichen Glauben ist dieses Etwas immer Gott. Die christliche Offenbarung lässt sich in private und in allgemeine, „öffentliche“ Offenbarungen unterscheiden. Letztere meint einerseits ein natürliches, durch die Vernunft geprägtes Erkennen Gottes, vor allem aber ein übernatürliches Erkennen, das seine volle Wirkungskraft erst durch den Glauben entfaltet. Die öffentliche Offenbarung ist demnach Gottes Selbstmitteilung an die Menschen in konkreten Worten und Taten. Gott hat sich selbst geoffenbart, indem er durch Propheten gesprochen hat und indem er in Jesus selbst Mensch wurde. Die katholische Kirche glaubt, dass die öffentliche Offenbarung, die sich in der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche finden lässt, mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen ist. Den Inhalt der Offenbarung hat Christus selbst der Kirche und ihrem Lehramt übergeben, um sie fortwährend und immer wieder neu zu verkünden.
Akzente des Glaubens vertiefen
Im Gegensatz zur allgemeinen Offenbarung sind Privatoffenbarungen Glaubenserfahrungen, die einzelne Menschen nach dem Tod des letzten Apostels machen und die nicht zum „Depositum fidei“, dem Glaubensgut der Kirche, gehören. Sie müssen von den Gläubigen deshalb auch nicht – anders als Dogmen – als allgemeine Glaubenswahrheit angenommen werden. Dennoch können private Offenbarungen als eine Art „himmlische Wegweiser“ dienen, die dabei helfen, den Glauben in der jeweiligen Zeit neu und besser zu verstehen. Privatoffenbarungen sind häufig Erscheinungen der Gottesmutter Maria, aber auch Erscheinungen verschiedener Heiliger oder Jesu Christi selbst.
Eine Privatoffenbarung könne neue Akzente setzen, neue Weisen der Frömmigkeit herausstellen oder alte vertiefen, heißt es auch im Nachsynodalen Schreiben „Verbum domini“ von Papst Benedikt XVI. Sie seien aber nicht dazu da, „die endgültige Offenbarung Christi zu vervollständigen“. In der öffentlichen Offenbarung spreche Gott selbst durch Menschenworte zu uns, schreibt Benedikt. Deshalb müsse sich eine Privatoffenbarung auch immer an dieser messen lassen. Wenn sie dagegen von der eigentlichen Offenbarung und damit von Christus wegführe, „dann kommt sie sicher nicht vom Heiligen Geist, der uns in das Evangelium hinein- und nicht aus ihm herausführt“, so der Pontifex.
Gnadengabe mit besonderer Leuchtkraft
Das 2. Zweite Vatikanische Konzil hebt in seiner Konstitution „Lumen gentium“ diese privaten Glaubenserfahrungen als „Gnadengabe mit besonderer Leuchtkraft“ hervor. Dort heißt es außerdem: „Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‚teilt den Einzelnen, wie er will‘ (1 Kor 12,11), seine Gaben aus.“ (LG 12) Allerdings stehe „das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben“.
Björn Odendahl/katholisch.de
Das Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland bietet eine anregende Zusammenstellung zum Thema „Pilgern“. https://www.katholisch.de/artikel/5371-himmlische-wegweiser
„Es steht fest, dass …“
Die Echtheit von Privatoffenbarungen wird in der Kirche nach festen Regeln festgestellt.
In den „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmasslicher Erscheinungen und Offenbarungen“ formulierte die römische Glaubenskongregation bereits im Jahre 1978 Kriterien zur „Echtheit“ von Privatoffenbarungen.
Das positive Kriterium ist darin „eine durch genaue Untersuchungen gewonnene moralische Gewissheit oder wenigstens große Wahrscheinlichkeit über die Wirklichkeit des Ereignisses“. Dazu muss in Bezug auf die Offenbarung eine „Wahrheit und Irrtumslosigkeit der theologischen und geistlichen Lehre“ festgestellt werden.
Auf die legitime Bitte von Gläubigen hin, kann an Stätten scheinbarer Offenbarungen dann jegliche Form von Kult und Verehrung entweder erlaubt oder verboten werden. Zuständig ist in der Regel der Ortsbischof.
Sind die Untersuchungen abgeschlossen, sind zwei Urteile möglich: „Es steht fest, dass es sich um Übernatürliches handelt“ (Constat de supernaturalite). Damit wird eine Erscheinung oder ein Erscheinungsort offiziell bestätigt. Oder: „Es steht fest, dass es sich um nichts Übernatürliches handelt“ (Constat de non supernaturalite), womit eine Erscheinung offiziell verurteilt wird.
Das Dokument „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmasslicher Erscheinungen und Offenbarungen“ finden Sie auf:
www.sonntagsblatt.at/offenbarung
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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