Sprache in der Liturgie 3/3
Ganz in der Gegenwart sein

Zum Kreuzungspunkt der Weltgeschichte wird der Altar bei der Feier der Eucharistie. Alles wird gegenwärtig und mit Gott in Berührung gebracht, damit er es heilt und wandelt. | Foto: Neuhold
  • Zum Kreuzungspunkt der Weltgeschichte wird der Altar bei der Feier der Eucharistie. Alles wird gegenwärtig und mit Gott in Berührung gebracht, damit er es heilt und wandelt.
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Die Zeitschrift Heilger Dienst veröffentlichte einen Gedankenaustausch zwischen Sascha Heinze und Alfred Jokesch über die Sprache in der Liturgie. Lesen Sie hier den letzten Teil dieses Gesprächs.

  • Jokesch: Ganz entscheidend ist für mich in der Liturgie der Begriff ‚Präsenz‘. Theologisch sprechen wir von Realpräsenz. Gott ist mit Sicherheit präsent, er ist der Allgegenwärtige. Der springende Punkt ist vielmehr, ob ich selbst präsent bin. Nur dann kann eine Begegnung stattfinden.

  • Heinze: Wie die Feier und auch der liturgische Raum gestaltet sind, das soll uns helfen, in diese Präsenz zu kommen. Es macht einen großen Unterschied, ob ich beim Sprechen eines Gebetes präsent bin oder ob meine Gedanken ganz woanders sind. Auch dialogische Elemente helfen, dass unsere Präsenz, als Einzelne und auch als Gemeinschaft, gefördert wird.
  • Jokesch: In der Wahrnehmung sein, heißt es beim Meditieren. Ich denke nichts, sondern nehme nur die Sinneseindrücke wahr.
  • Heinze: Und wenn ich da hineinspreche mit Texten, dann muss das etwas Gehaltvolles sein und etwas, womit ich in Resonanz gehen kann, ohne viel darüber nachzudenken. Beten ist ja keine Vorlesung, kein intellektueller Vorgang, sondern ein existenzieller Vollzug.
  • Jokesch: Präsenz in der Eucharistie ist ein Gegenwärtig-Werden, das sich aus zwei Richtungen ereignet. Es wird Vergangenes präsent – das Geschehen beim Letzten Abendmahl – und zugleich Zukünftiges – das Himmlische Hochzeitsmahl, was in der ostkirchlichen Liturgie stark im Vordergrund steht. So gesehen wird jede Eucharistiefeier zum Schnittpunkt der Weltgeschichte, wo Vergangenes und Zukünftiges in der Gegenwart zusammenkommen.
  • Heinze: Damit kommt es auch mit unserem gegenwärtigen Leben in Berührung. Dieses Geschehen soll ja für die Mitfeiernden und für mich erfahrbar werden. Wie schafft man das in der Feier? Es geht um die Einbettung in die Heilsgeschichte und um das Bewusstsein, dass das Leben immer auch mehr ist als unser Jetzt.
  • Jokesch: Richtig. Wir stellen uns hinein in eine lange Linie von Generationen, die das Gleiche gefeiert haben und mit denen wir uns in dieser Feier verbinden. Indem im Hochgebet die Heiligen und die Verstorbenen genannt werden, wird uns bewusst gemacht, dass wir Teil einer zeitenübergreifenden Gemeinschaft sind, während die Erwähnung des Papstes und der Bischöfe uns daran erinnert, dass es eine Feier der ganzen Weltkirche ist. Eucharistie ist ja immer ein Vollzug der Universalkirche und keine Exklusivveranstaltung der momentan anwesenden Gemeinde.
  • Heinze: Aber wie bringen wir das sprachlich so rüber, dass es auch ankommt? Die offiziellen Hochgebete transportieren das nicht wirklich. Mit welchen Sprachbildern, die Menschen heute verstehen, öffnen wir dieses Verständnis? Wenn das gut formuliert wird, dockt es bei vielen Menschen an, weil es vermittelt, wie sie heute die Welt und das Leben verstehen. Das ist in vielen Texten, die hier entwickelt oder übernommen wurden, gut gelungen.
  • Jokesch: Gerade Künstler, seien es Musiker oder Leute, die vom Theater kommen, schwärmen oft davon, welch großartige Inszenierung die katholische Messe in ihrer Symbolik und Dramaturgie ist. Ich denke, das ist uns viel zu wenig bewusst, und wir zerstören in unserer Praxis so viel davon, weil wir darauf nicht achten.
  • Heinze: Woran liegt das? Ich habe wenig Ahnung von Musik. Ich kann mir eine Oper anschauen und sagen, das gefällt mir oder nicht. Dann könnte ein Musiker oder Dramaturg mir erklären, was da alles drinnen steckt, wofür ich gar keinen Blick habe. Welches Vorwissen brauche ich? Wenn ich ein Konzert besuche – etwa die Johannespassion von Bach – und mir ein großes Werk präsentiert wird, wie erschließt sich mir diese Welt?
  • Jokesch: Wenn die Aufführung gut ist, passiert das ganz unwillkürlich. Die Musik löst Gefühle aus, man spürt eine Ergriffenheit, denkt vielleicht an bestimmte Erlebnisse. Auch in der Liturgie kommt es darauf an, dass es einfach gut gemacht ist. Wir müssen uns bewusst sein, dass auch der Gottesdienst Inszenierung ist und dramaturgischen Regeln folgt.
  • Heinze: Da ist Sprache nur ein Teil davon.
  • Jokesch: Ein anderer Aspekt ist, dass die Agierenden in der Liturgie bestimmte Rollen einnehmen. Wenn jemand diese Regel missachtet und zwischendurch aus der Rolle heraussteigt, dann funktioniert es nicht. Wenn ich als Priester etwa dem Ministranten während der Feier Anweisungen gebe, zerstört das die Rolle, die ich verkörpere.

P. Sascha Heinze ist Pallottinerpater und war von 2017 bis Juni 2024 als Seelsorger, Priester und Mitglied des Leitungsteams im „Haus der Stille“ tätig.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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