Europäische Städte
Überwundene Grenzen

Auf dem Transalpina-Platz verläuft die Staatsgrenze zwischen Italien und Slowenien. Ab 1947 durch einen Stacheldraht und später durch einen Zaun getrennt, der erst mit dem EU-Beitritt Sloweniens im Jahr 2004 teilweise entfernt wurde. | Foto: Ernad Ihtijarević
4Bilder
  • Auf dem Transalpina-Platz verläuft die Staatsgrenze zwischen Italien und Slowenien. Ab 1947 durch einen Stacheldraht und später durch einen Zaun getrennt, der erst mit dem EU-Beitritt Sloweniens im Jahr 2004 teilweise entfernt wurde.
  • Foto: Ernad Ihtijarević
  • hochgeladen von Kirche bunt Redaktion

 

Erstmals in zwei benachbarte Städte - Nova Gorica und Gorizia - grenzübergreifende Europäische Kulturhauptstadt in zwei Ländern: Slowenien und Italien. Die in der österreichisch-ungarischen Monarchie vereinte Stadt Görz galt als "Nizza Österreichs" und hat viel Geschichte, Kultur und Kulinarik zu bieten.

Die Staatsgrenze verläuft quer über den Platz vor dem alten Bahnhof in Nova Gorica. Die Steinmarkierung auf dem Pflaster liefert ein beliebtes Fotomotiv. Hier kann man mit beiden Beinen in zwei verschiedenen Ländern stehen. Die zwei Städte Nova Gorica und Gorizia an der Grenze zwischen Italien und Slowenien sind durch eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte verbunden. Zunächst regierten hier die Grafen von Görz bis zum Jahr 1500 auf einer schmucken mittelalterlichen Burg, ehe die Region unter die Herrschaft der Habsburger geriet. In der Donaumonarchie galt Görz als „Nizza Österreichs“. Wegen des milden Klimas und der Nähe zu Triest und der Adria siedelten sich viele adelige Familien wie die Coronini-Cronbergs, die Lantieris oder die Attems an und bauten elegante Palais. Johann Baptist Coronini-Cronberg brachte es zum Hauslehrer von Kaiser Franz Joseph.

Neben Wein, Gemüse und Obst wurden im 18. Jahrhundert auch Maulbeerbäume für die Seidenspinnerei angepflanzt. In zahlreichen Betrieben wurde Kleidung hergestellt – die zusammen mit Seidentüchern und Spitzen aus Görz in noblen Geschäften Wiens verkauft wurde.

Görz war für die Donaumonarchie ein Garten Eden – von hier wurden Obst, Gemüse und Wein bis nach Wien geliefert. Antonio Darbo war einer der Obstbauern, der von Görz aus eine Handelsmarke aufbaute, die heute mit der gleichnamigen Marmeladenfabrik in Tirol weitergeführt wird.

Viele Sehenswürdigkeiten

Auf dem Burgberg in Gorizia liegt innerhalb der Festungsmauern das schmucke Viertel Borgo Castello, das nach der Zerstörung im Ersten Weltkrieg wieder instandgesetzt wurde: In den engen Gassen laden die gotische Kirche Santo Spirito und das „Museo della Moda e delle Arti applicate“ (Museum der Mode und der Angewandten Kunst), wo die textile Vergangenheit der Stadt ausgestellt ist, zum Besuch ein.
Die Altstadt von Gorizia birgt viele sehenswerte Gebäude: Das Rathaus und das Palais der Familie Attems, das heute ein Kunstmuseum beherbergt, wurden von Nicolo Pacassi entworfen, der auch das Schloss Schönbrunn für Kaiserin Maria Theresia umbaute.

In ihrem neu erschienenen Buch „Gorizia-Nova Gorica: Faszination Grenzregion“ widmet sich die Autorin Irene Hanappi „der einzigen Region in ganz Europa, in der Italienisch, Slowenisch, Friulanisch und Deutsch gesprochen wurde“ und wo bis zum Ende des Ersten Weltkriegs verschiedene Bevölkerungsgruppen friedlich miteinander lebten. „So klein die Stadt war, hatte sie doch große Bedeutung als Brücke zwischen dem Habsburgerreich und der Republik Venedig.“
Vom 17. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts spielte sich ein wichtiger Teil der Geschichte des europäischen Judentums hier ab. Ab Ende 1943 wurden die jüdischen Bewohner von Görz in NS-Konzentrationslager verschleppt und ermordet. Vom ehemaligen Ghetto ist heute nicht mehr viel zu sehen, mit Ausnahme der renovierten Synagoge und einem schmiedeeisernen Eingangstor. Von 600 Görzer Juden überlebten nur fünf den Holocaust.

Die katholische Geschichte

Auch die katholische Kirche ist mit der Geschichte von Görz eng verbunden. Die Jesuitenkirche auf der Piazza Vittoria oder das leider unter Mussolini zerstörte Ursulinenkloster zeugen davon. Im Kloster Kostanjevica in Gorica fand der letzte französische Bourbonenkönig, Charles X., der nach der Julirevolution 1830 abdanken musste und vom österreichischen Kaiser Exil in Prag erhielt, 1836 seine letzte Ruhestätte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beanspruchten Jugoslawien und Italien Gorizia/Gorica jeweils für sich. Erst 1947 wurde die neue Grenze im Vertrag von Paris ziemlich willkürlich gezogen.

Jugoslawiens Marschall Tito wollte darauf mit Nova Gorica eine sozialistische Musterstadt aufbauen und beauftragte Edvard Ravnikar, einen Schüler Le Corbusiers, mit der Planung. Neben Wohntürmen entstanden moderne Gebäude wie das Rathaus, eine Universität oder das slowenische Nationaltheater. Zahlreiche Casinos locken bis heute vorwiegend Italiener an.

Der Beitritt Sloweniens zur EU und zur Schengenzone wurde voll Freude gefeiert.

Die Bewohner nützten die Lage an der Grenze für Schmuggeltouren in beide Richtungen. Fleisch, Gemüse oder Möbel kauften Italiener ein, in die andere Richtung wurden Kaffee, Kleidung, Fliesen und Schallplatten mit westlicher Popmusik geschmuggelt.
Als Slowenien 2004 der EU und später auch der Schengenzone beitrat, feierten die Bewohner der Zwillingsstädte den Fall der Schlagbäume ausgiebig.
Eine Fülle von Veranstaltungen und Angeboten soll das ganze Jahr über Besucher anlocken: Darunter Ausstellungen oder besondere Konzerte. Weinliebhaber kommen im italienischen Collio und im slowenischen Goriška Brda auf ihre Rechnung, wobei die „Osmice“ – slowenische Buschenschänken mit lokalen Spezialitäten aus Küche und Keller – sehr gefragt sind. Im Vipavatal gibt es mittelalterliche Dörfer und Burgen zu bestaunen.

„Grenzen können auch Inspirationen bewirken“, meint Mija Lorbek, die Managerin der Kulturhauptstadt. „Hier gibt es verschiedene Kulturen, Sprachen oder auch Speisen an einem Ort zu entdecken. Und die Bewohner haben das, was Europa ausmacht, hier schon in ihrem Alltag vorgelebt.“

Auf dem Transalpina-Platz verläuft die Staatsgrenze zwischen Italien und Slowenien. Ab 1947 durch einen Stacheldraht und später durch einen Zaun getrennt, der erst mit dem EU-Beitritt Sloweniens im Jahr 2004 teilweise entfernt wurde. | Foto: Ernad Ihtijarević
Die Solkan-Brücke über den Isonzo gilt als die größte Eisenbahn-Steinbogenbrücke der Welt. | Foto: Jernej Humar
Das Franziskanerkloster Kostanjevica ist auf einem 143 Meter hohen Felsen über Nova Gorica gelegen. Dort befindet sich die Grabstätte des letzten französischen Bourbonenkönigs Charles X.    | Foto: Ana Rojc
Blick auf die Kirche des heiligen Ignatius auf der Piazza della Vittoria.  | Foto: Mateja Pelikan
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

Powered by PEIQ