Dinge mit Geschicht(n)
Die Säschürze

Foto: Friedl Werni

Im Vaterunser beten wir „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Aber ganz ehrlich, ist uns bewusst, was wir da bitten? Brot gibt es heute im Überfluss und viele von uns werfen es sogar sorglos weg. Die Betrachtung der Säschürze kann uns helfen, den Wert des Brotes ganz neu zu verstehen.
Eine Säschürze ist eine ziemlich lange Schürze, mit der das Saatgut vom Bauern händisch aufs Feld ausgebracht wurde. Dafür fasste der Bauer das untere Ende der Schürze, hielt es hoch und formte so eine Art Beutel, in der sich das kostbare Saatgut befand.
Heute kaufen Bauern ihr Saatgut im Großhandel. Früher stammte jedes Körnchen von der eigenen Ernte des Vorjahres. Otto Riesinger, ein Leser unserer Kirchenzeitung, berichtet: „Nur das beste Samenkorn vom ertragreichsten Feld war als Saatgut gerade gut genug. Man sagte: Wie die Saat, so die Ernte.“ Verständlich, dass ein so kostbarer Schatz nur vom Bauern selbst ausgesät werden durfte.
Ein Kärntner Bauer erklärte mir: „Es kommt beim Säen auf den Schritt und die Faust an. Du nimmst eine Handvoll Saatgut, machst einen Schritt, und wirfst. Immer in diesem Rhythmus. Ein Schritt, dabei werfen, Schritt, werfen.“ Davor wurde mit dem Pferd oder mit Ochsen der Acker gepflügt, geeggt, dann wurde gesät und wieder geeggt. Es war eine langwierige und schwere Arbeit. Nun musste noch das Wetter mit ausreichend Sonne und Regen mitspielen und die Hofgemeinschaft konnte wieder ein Jahr ernährt werden. Brot war kein billiges Nahrungsmittel. Jedes Kind wusste, wie viel Arbeit nötig war und auch wie viel Segen von oben es brauchte, bis man endlich einen Laib Brot in Händen halten konnte.
In Kammern im steirischen Liesingtal wurde am Heiligen Abend und zu Silvester der Tisch auf besondere Weise hergerichtet. Die Säschürze wurde schön gefaltet und in die Mitte gelegt. Darauf kam das Tischtuch und darauf ein Leuchter mit einer Lichtmesskerze. Beim Gebet wurde die Kerze angezündet und um reiche Ernte fürs neue Jahr gebeten. Eben genau das, worum wir auch im Vaterunser bitten.
Inge Friedl

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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